Betrachten wir die letzten 5 Jahre, wie sich die drei Premiummarken geschlagen haben. Wo legten sie auf welchem Markt zu und wo stolperten sie gewaltig? Starten wir bewusst mit dem Jahr 2008/2009. Dem Chaosjahr der Autobranche im Rahmen der Finanzkrise. Wie haben sich die Märkte seitdem wieder erholt?

Fassen wir die Nummer 3 zuerst ins Auge: Daimler! Die 2004 die Absatzkrone an BMW abgeben mussten und 2012 dann auch noch von Audi überholt wurden. Das eine Ereignis schmerzt seit 10 Jahren. Das Audi-Ereignis wurmt Daimler umso mehr, dass ein Newcomer zum Überholvorgang ansetzte. Die Erschütterungswellen peitschen den einstigen Autokönig seitdem voran und rüttelten gehörig am Selbstbewusstsein. Schauen wir uns also die letzten 5 Jahre an. Und lernen vor allen Dingen, was es ökonomisch bedeutet, wenn man stolpert. Die Dimensionen sind wahrhaft gigantisch.

Daimler 2008-2013
Beginnen mit den Absatzvolumina. Die Abverkäufe werden in 1.000er Einheiten dargestellt, seit 2008 bis 2013. Je Region und Jahr:
Daimler 2008-2013

Was kann man sehen?
– Zunahme der Verkäufe um 23%, von 1,27 Mio auf 1,56 Mio PKW Einheiten.
– Stagnation in Europa/Deutschland, wo kaum noch Bewegung zu sehen ist, tendentiell eher sinkend.
– Stetes und ruhiges Wachstum in den USA.
– Der Löwenanteil des Wachstums ging auf China, wie zu erwarten, wo man sich von 49.000 auf 236.000 Einheiten steigern konnte.

Daimlers Achillesferse China
China ist die Achillesferse von Daimler, die ausgerechnet auf dem explosionsartig gewachsenen Markt Federn lassen mussten. Wie groß die Dimension des Fehlers ist, der sich 2011 fast schon schlagartig bemerkbar machte, erkennt man am direkten Vergleich der Absatzverläufe aller drei Premiums:
China 2008-2013

Wie teuer war Daimlers Fehler in China?
– Gegenüber Audi hat Daimler von 2011 bis 2013 544.000 PKWs weniger verkauft.
– Gegenüber BMW hat Daimler im gleichen Zeitraum 285.000 PKWs weniger verkauft.
– Macht im Schnitt gegenüber dem Wettbewerb rund -415.000 Einheiten seit 2011.
– Den durchschnittlichen Umsatzerlös pro Daimler-Einheit kennen wir bereits: 41.000 Euro.

Sprich: Daimler hat der Bock rund 17.000.000.000 Euro an Umsatzentgang gekostet, weil sie nicht eingermaßen auf dem Wachstumspfad geblieben sind und eben nicht die Position von BMW oder gar Audi einnehmen konnten. Nach dem Motto, das wäre ihr Preis gewesen: +17 Mrd Euro!! Wenn man die Dimension des Fehlers bedenkt und die Aussage von Daimlers Vorstandsetage gegenüberhält, bis 2020 die Nr. 1 Position zu erringen, wird das Ausmaß überhaupt bewusst. Den Anspruch hat man aller Voraussicht nach in China verloren. Aber Nr. 1 sein zu wollen ist kein Selbstzweck, sondern ein Ergebnis der Bemühungen, unternehmensweit Spitzenleistungen zu bringen. Irgendwo da hatte es gewaltig gehapert.

Fehlerquellen
Das erklärt uns das Manager-Magazin in AUTOMARKT CHINA – Mit Vollgas ins Risiko

Und sie begann ausgerechnet 2010; in einem Jahr, in dem Mercedes seinen Absatz in China um sagenhafte 115 Prozent steigerte. Man rückte bis auf gut 20.000 Neuzulassungen an den Rivalen BMW heran, das Überholen schien eine Frage der Zeit. Doch dieses Wachstum trug ein böses Virus in sich. Mercedes hatte gerade die neue, in Peking produzierte Langversion der E-Klasse in China in den Handel gebracht. Gleichzeitig drückte die separat agierende Vertriebsgesellschaft für die Importfahrzeuge die in Deutschland gefertigte normale E-Klasse in die Schauräume. „Die haben gepusht, gedrängt, gelockt; es wurde um jeden Verkaufsplatz gekämpft“, erzählt ein Händler. Das Resultat war eine Rabattschlacht. Erst intern zwischen zwei E-Klasse-Versionen, dann auch extern, als BMW und Audi reagierten. Das Spiel sollte sich 2012 wiederholen. Die neue M-Klasse kam später als erwartet nach China. Auch ein überarbeitetes Modell der E-Klasse ließ auf sich warten. Die Händler aber wollten ihre Absatzzahlen halten. Und so brachen sie ein Tabu. Sie verramschten die S-Klasse, gewährten bis zu 30 Prozent Nachlass ausgerechnet auf das Auto, das den Chinesen immer noch als Inbegriff des Luxus gilt. „Die Kunden dachten, mit den Autos stimme etwas nicht“, schildert ein Händler die Folgen… Damit war nicht nur der Ruf von Mercedes angeschlagen. Die Rabatte sind zur Normalität geworden. Mittlerweile sind 10 Prozent Nachlass eine Art guter Brauch. Auf die neue S-Klasse gibt es sogar 15 Prozent; Audi und BMW kommen auch unter Druck.

Was tat Daimler, um das wieder geradezubiegen?
Hierzu ein O-Ton von Daimler:

2013 ist Mercedes-Benz in China wieder zweistellig gewachsen: um 11%. Wir kommen dort Schritt für Schritt voran und haben letztes Jahr entscheidende Weichen für unseren Erfolg vor Ort gestellt. Am 1. März 2013 nahm die neue Vertriebsgesellschaft in China (BMBS) ihre operative Tätigkeit auf. Seitdem sind alle Vertriebs- und Marketingaktivitäten Mercedes-Benz Pkw in China – ganz gleich ob importierte oder lokal produzierte Fahrzeuge – unter einem Dach gebündelt. Das Händlernetz vor Ort konnte um 75 neue Händler auf über 330 Händler ausgebaut werden. Eine Reihe neuer, attraktiver Modelle wurde in den Markt eingeführt, etwa die A-Klasse, die neue E-Klasse in Langversion und die S-Klasse. Wenn Sie das Wachstum von Mercedes-Benz in China nur für den Zeitraum betrachten, den die BMBS bereits tätig ist (März – Dezember), kommen Sie übrigens auf ein Wachstum von 18%.

Aber wir sind noch nicht am Ziel und wollen 2014 weiter nachhaltig wachsen. U.a. dank der Fortsetzung unserer Produktoffensive (z.B. CLA und neue C-Klasse) und dem weiteren Ausbau des Händlernetzes: 100 neue Händler sind dieses Jahr geplant, davon 40 in Städten, in denen Mercedes-Benz bislang noch nicht präsent ist.

Übersetzt? Daimler hat den Fehler erkannt und räumt rigoros auf anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir lernen auch daraus, dass Daimler ganz offensichtlich nicht früh genug in den Ausbau des Händlernetzes investierte, vor allen Dingen nicht so früh wie Audi und BMW. Die viel früher erkannt hatten, dass die Abdeckung der Ostküste alleine nicht reicht (wo China zuerst wirtschaftlich aufblühte), man auch ins Landesinnere Netze weiterspannen müsse. Daimler verpasste den Ruf „lets go west“, um es etwas scherzhaft auszudrücken. Der Abstand ist trotz Fehlerkorrektur immer noch gewaltig, aber Daimler betont, dass man mithilfe dieser Strategie wieder auf Augenhöhe spielen wird. Sollten sich andere, externe Parameter bis dahin nicht ändern (siehe Manager-Magazin Beitrag oben). Eins ist klar: Daimler muss in China einen Sprint hinlegen, der mehr Kraft als der Marathonlauf von Audi und BMW kostet. Sprint heißt in der Wirtschaft auch immer Geld, mehr Geld als üblich auszugeben. Ich mag nicht wissen, was wohl alleine die Restrukturierung des Vertriebs gekostet hat, da der chinesische Inhaber mit Sicherheit nicht einfach so den Gegenwert eines Weihnachtsstern akzeptiert hat, um das Ruder Daimler zu überlassen. Diese Korrektur entzieht zudem Geld an anderen Stellen, um es dort zu investieren. Fehler erzeugen Welleneffekte, die sich intern jahrelang auswirken. Extern kann ein Fehler ebenso jahrelange Probleme nach sich ziehen, wie wir das am Beispiel Audi im folgenden Artikel gleich sehen werden.

Wie verfährt Daimler weiter?
Der Ansatz, bei bestehenden, vergleichbaren Modellen (E-Klasse vs. BMW 5 und Audi A6) Produktpflege zu betreiben, bedeutet in Teilen Marktanteile zu gewinnen, wenn die Modellpflege leicht besser gelungen ist. Wie im letzten Artikel bereits betont, bedeutet das eben das: Zugewinne. Aber nicht unbedingt das Überholen. So steigerte Daimler in Europa den Absatz 2013 um 17% ebenso wie in den USA um 17%. Aber? BMW verkaufte in Europa 859.000 PKWs vs Daimler mit 728.000. Und in den USA konnte BMW 376.000 vs. Daimler mit 322.000 verkaufen. Heißt? Daimler holte etwas auf, ist aber immer noch stolze Zahlen entfernt. In China muss Daimler von 236.000 Einheiten erstmal BMWs Duftmarke mit 390.000 und Audis Bestmarke mit 492.000 erreichen, bevor es ums Überholen geht. BMW und Audi werden natürlich bis dahin nicht warten und freundlicherweise stehenbleiben, sondern aus eigener Kraft weiterwachsen. Lediglich alleine mit Modellpflege wird das Nr.1-Ziel bis 2020 kaum erreichbar sein, da der Wettbewerb nicht auf Dauer systematisch und freiwillig eine schlechtere Modellpflege betreiben wird.

Nochmals, Daimler wird sich an der eigenen Aussage messen lassen müssen, bis 2020 wieder Absatzkönig zu werden. Insofern reicht eine Modellpflege nicht aus, um das Ziel zu erreichen. Daimler muss und wird daher auf neue Modelltypen setzen, neue Nischen besetzen und Einkommensschichten auch vom Alter her entgegenkommen müssen. Das bedeutet zugleich mehr Risiko, auf neuen Produktpfaden zu wandern anstatt bekannte Pfade zu gehen. Bisher funktionierte das recht gut, nachdem Daimler in meinen Augen seit ca. 2012 wieder voll aufs Gas geht und die schwäbische Umlaufbahn der Gemütlichkeit verlassen hat. Spätestens mit der neuen C-Klasse – die erst kürzlich präsentiert wurde – dürfte jedem klar geworden sein, wie sehr Daimler nicht nur auf eine Verjüngung des Designs achtet, um die Alterssegmente aufzufrischen:

Wir können das Vorangehen Daimlers abseits der üblichen Modellpflege an folgenden Modell-Releases sehen: Die ganz vrische V-Klasse (Großraumlimo für Familie, Firmen, Hotels, Verkaufsstart ab März 2014), kommende Smart-Klasse komplett neu designed (hochwertiger, urbaner, zeitgemäßer, weitaus hippiger, Präsie im Sommer/Herbst 2014) oder der Mercedes CLA für Jundynamiker und Mercedes Einsteiger (Daimler hatte bis dato nix im Regal stehen, seit Sommer 2013 auf dem Markt) aber auch die komplett umgestaltete A-Klasse (die es angeblich über 50% Wechselkäufern anderer Marken angetan haben soll, seit 2012 auf dem Markt und ein Verkaufsschlager). Man bohrt sich in neue Nischen rein aber auch in jüngere Alterssegmente. Um so frische Marktanteile zu gewinnen.
Mercedes V-Class Mercedes V-Class
Mercedes V-Class Mercedes V-Class
IAA 2013 IAA 2013

Natürlich schläft die Konkurrenz nicht
IAA 2013IAA 2013IAA 2013IAA 2013

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Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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