Wer in Hamburg das Electrum besucht – ein Museum für allerlei Elektrisches aus den letzten Jahrzehnten – darf die eine kleine, unscheinbare Ecke nicht übersehen!!! Dort finden sich altromantische Kostbarkeiten aus einer Übergangszeit zu Computerspielen, in der echte Brettspiele ohne Strom genutzt wurden und in weniger als zwei Jahrzehnten immer stärker von dem abgelöst wurden, was wir heute Spielsucht nennen oder mit Killerkizz, Ballergames, Multiplayer, Profiligen und Sonstigem subsummieren, was Erwachsenen eben so einfällt. Alternativen zu Brettspielen – weil keine Chips, keine Grafikkarten, nur monstergroße Rechner – gab es nämlich damals nicht.
Pioniere unter den Computerspielen
Und wenn, dann waren das heute altertümlich erscheinende Brettspiele mit etwas Schaltkreiseln und Lämpchen. Kennt das noch jemand? Das Elexikon aus dem Jahre 1970. Ich kann mich tatsächlich daran erinnern, das mal in der Fingern gehabt zu haben. Die Funktionweise ist hierbei ziemlich selbsterklärend. Wer die richtige Steckverbindung hergestellt hatte, wurde mit einem Aufleuchten belohnt. Wuff !!!!
Die Spielekonsolen kommen, und verglühen wieder!
War das nicht süß, niedlich, goldig? Aber es gab noch schrägere Sachen, die in den 70ern aufkamen! Nämlich die ersten Spielekonsolen. Richtiggehende Dinos, die kaum was konnten, außer etwas Ping und Pong, Schwarz-Weiß, dann etwas mehr in Farbe, piepsende Töne und gruselig anmutende Steuerungsmöglichkeiten. Sie waren uns ein Wunderwerk! Wer zum ersten Mal den weißen, wandernden Punkt auf dem Fernseher sah, der ahnte, dass hier etwas Großartiges im Gange war. Und es begann mit dem Aufkommen der Konsolen eine Art Spielwarenabteilungs-Kurzzeitalter in den Kaufhäusern. Wir Kizz belagerten die Regale und spielten uns die Finger wund.
Natürlich blieb es ein Jahrzehnt zuvor mit dem Aufkommen der Ära der Mikroelektronik nicht aus, dass sich erste Ingenieure in den 60ern dranmachten, Bildschirme namens Fernseher mit einer Art Konsole zu verbinden. Andere hingegen wie Steve Jobs oder Bill Gates fanden ihren Weg in den Home-Computerzweig. Einer der Vertreter der Konsolenfreak-Sparte war Ralph Baer, ein deutschstämmiger Amerikaner. Der ein Gerät namens „Odyssey“ 1969 als Prototyp entwickelte, das die US-Firma Magnavox in einer erweiterten Version 1972 zusammenzimmerte. Ralphs Idee war es tatsächlich, sein Baby für weniger als 20 USD auf den Markt zu bringen!! Magnavox brachte die Konsole für 100 USD auf den Markt. Wie das? Nun denn, die Wahrheit ist: Ralph war kein Businessman, Magnavox kopierte seine Ideen, statt Ralph vernünftig zu beteiligen. Aber das ist ein alter Hut, ab dafür. Immerhin kann sich Magnavox und nicht etwa Atari auf die Fahnen schreiben, die ersten auf dem Konsolenmarkt gewesen zu sein.
Lest mal die „Packungsbeilage“ dazu:
Es blieb nicht nur bei Odyssey, auch eine Reihe weiterer Firmen warfen Konsolen auf den Markt, mit mehr oder weniger super mies raubkopierten Spielen. Auch Philips stieg ein und baute die G 7000, die im Electrum ebenfalls ausgestellt ist:
Zu der G7000 findet Ihr bei Interesse einige interessante Details auf Tote-Pixel.de, alternativ bietet sich dieses YouTube-Video an:
Ihr könnt es Euch schon denken: Aus den frühen Konsolen wurde nichts, zu mies waren die oftmals raubkopierten Spiele, die Käufer regelmäßig enttäuschten!! Es gab auch keine Standards. Ataris Konsole war bis zum Crash der Videospielekonsolen anno 1983 (ja tatsächlich, einen Crash!) der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus. Zudem hatten die aufkommenden Heim-PCs mehr zu bieten. So musste auch Atari irgendwann die Konsolen-Segel streichen. Die ersten Konsolenanbieter hatten es gründlich vermasselt.
Immerhin bekam Ralph Baer 2006 vom US-Präsidenten höchstpersönlich für seine Leistungen im Bereich der Videospiele den Orden „National Medal of Technology“ verliehen, der als höchste US-Auszeichnung im Bereich Wissenschaft und Technik gilt. Ach ja, er bekam den Orden nicht nur für die obigen Erfindungen. Kennt Ihr Senso? Ein elektronisches Spiel, das Töne in wechselnden Farbe abspielt und der Spieler sich die Abfolge merken muss? Zu Beginn ist das noch einfach, doch die Abfolgen werden immer länger und schneller. Genau! Dieses Spiel hat Ralph entworfen und entwickelt.
Weiter gehts zu einer Art „Kinderspielzeug“, was man heute maximal Fünfjährigen als Trash verschenken würde: Caveman. Das waren damals mit die besten Spielekonsolen für wenig Geld, kein Mist! Wir hatten halt keine XBox, die im Vergleich dazu Welten entfernt ist. Noch soviel Geld für diese frühen Konsolen, die – um es klar zu sagen – tatsächlich einen unfassbaren Heidenspaß machten und – ihr könnt es euch denken – für verdammt große Kinderaugen sorgten. Wer es billiger haben wollte, griff zu diesen Kisten:
Um eine klitzekleine Vorstellung von den grafischen Un-Fähigkeiten und Un-Bedienbarkeit zu bekommen, ein richtig ekliges Video dazu:
Das Königsspiel in 2.5 KB
Natürlich war das auch die aufkommende Ära der Edelbrettspiele, dem Spiel der Spiele schlechthin: Schach!! Oder besser gesagt Computerschach. Ich stand mir damals im Kaufhaus stuuundeeeenlaaaaang die Füße platt. Zusammen mit anderen Kizz, alle ungefähr in meinem pubertierenen Alter. Es ging dabei nicht nur um Schach selbst, sondern auch um die damalige Blödheit der Computer auszunutzen. Eines unserer Hobbys war es herauszufinden, wie man in maximal wenigen Zügen den Computer zum Schachmatt bringen kann. Jede dieser damaligen Maschinen hatte den einen oder anderen Bug. Einer der eher ungewöhnlichen Kisten war in Holz verkleidet, nannte sich Boris, sprach mit uns und kostet sage und schreibe fast 900 Deutsche Mark!! Fett!!! Ihr könnt euch nicht ausmalen, welch großen Augen ich im Electrum bekam, als ich diese alte, in lieber Erinnerung bewahrte Schrottmühle wiederentdeckte. Boris, du alter Depp!
Und ehrlich, der Boris war niemals sein Geld wert gewesen! Außer einigen netten Sprüchen – die irgendwann nervten, denn es gab derer nur 80 – war der Computer recht spielschwach und verlor auch regelmäßig gegen andere, weitaus günstigere Schachcomputer. Heutige Schachspieler haben übrigens keine Chance mehr gegen Programme wie Fritz, die selbst Weltmeister zum Schwitzen bringen. Damals – in den 80er Jahren – stellten wir uns tatsächlich noch die Frage, ob die Computer eines Tages menschliche Weltmeister übertrumpfen könnten.
An eine Begebenheit erinnere ich mich gerne zurück: Eines Tages stand mein damaliger Lieblingsautor Ephraim Kishon („Er gilt im deutschsprachigen Raum als einer der erfolgreichsten Satiriker des 20. Jahrhunderts„, Wikipedia) neben mir und daddelte an einem der Schachcomputer herum. Ich glaube, er trug eine dieser Zuhälterbrillen, die sich bei Licht verfärbten. Er zog sie nach oben und fluchte glaube ich vor sich dahin. Ich näherte mich ihm ehrfürchtig und fragte ihn, ob er denn Hilfe gebrauchen könnte. Ein kurzer Schnack, etwas Fachsimpeln und er zog zufrienden von dannen. Nicht ohne eine Signatur auf einem Kassenzettel zu hinterlassen, die er mir überreichte. War ein höflicher Kerl. Ne, die ist nicht eingerahmt, ich habe sie auch nicht mehr irgendwo. War halt eine witzige Randgeschichte, mehr nicht.
Forever Young
Ja, so war das damals. Ping-Pong, Pacman, Atari, Minikonsolen wie Caveman, strunzdumme Schachcomputer. Wir wissen heute, was daraus wurde. Damals hatten wir nur eine grobe Ahnung und kindliche Begeisterung in uns. Mit dem Aufkommen der Home-PCs verschwanden wir Kizz aus den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser. Und setzten uns zu Hause vor die Flimmerkisten. Manche von uns wurden Programmierer, Admins, PC-Kistenschubbser und Schrauber, wenige unter uns Hobby-Hacker, aber viele blieben dem Virus treu, von dem es nicht zu gesunden galt.