Befassen wir uns nach dem Artikel über das Erdgas-Hybridfahrzeug von Skoda mit der Frage, ob man anstelle von natürlich vorkommenden Erdgas auch künstlich hergestelltes Erdgas – Biogas genannt – nutzen kann, um damit Erdgasfahrzeuge zu betanken. Um der Endlichkeit fossiler Brennstoffe über regenerative Energiequellen zu entgehen? Ja, sicher kann man das. Biogas herstellen. Ob es aber das Problem der Endlichkeit fossiler Brennstoffe löst, steht auf einem anderen Stern.
Ein kurzes Zahlenspielchen
1. Aktueller Bestand an PKWs, davon Erdgas- und Flüssiggasautos in D? 43,8 Mio, davon 79.000 CNG und 501.000 LPG.
2. Erdgas/Biogas-Bedarf für alle Fahrzeuge (bei 38 Mio Privathaushalten und einer durchschn. Fahrleistung von 20.000 KM/Jahr):
Wenn 5 Kühe genügend Biogasmaterial produzieren können, um ein Erdgasfahrzeug einmal um den Globus zu schicken (40.000KM), dann brauchen wir in Deutschland wieviel Kühe für die Gesamtwegeleistung*? 95 Mio Kühe! Es stimmt also: Viele Kühe machen Mühe. Aktueller Kuhbestand in D? Wer weiß es? 4,2 Mio.
Biogas-Produktionsüberlegungen
Biogas erzeugt sich natürlich nicht von alleine. Entscheidend sind Skalierungsfragen: Wieviele Rohstoffe benötige ich, was kosten mich die Rohstoffe, wie entwickelt sich deren Preis bei steigender Nachfrage, welchen Aufwand muss ich bei der Herstellung in wievielen Schritten betreiben, wie groß ist der gesamte Energieeinsatz, was hole ich unter dem Strich heraus und wie sieht der kostendeckende Abnehmerpreis im Vergleich zu anderen Treibstoffen aus?
Staatliche Förderungen: Status Quo und Ausblick
Natürlich spielen auch staatliche Förderungen eine Rolle, wie sehr ein Treibstoffprodukt am Markt nachgefragt wird. Speziell in Deutschland wird Erdgas bis 2018 steuerlich gefördert, damit sich die Mehrkosten bei der Anschaffung eines Erdgas-PKWs auch lohnen (letztlich wollte der Gesetzgeber die Umweltfreundlichkeit von Erdgas gegenüber Benzin belohnen und fördern). Aber was ist danach, wenn die Steuerbegünstigung gegenüber Diesel und Benzin flachfällt? Das wird sich naturgemäß auf die Herstellung und den Absatz von Biogas auswirken, nicht nur auf den Absatz natürlich vorkommender Erdgase für den Straßenverkehr.
Zur Zeit sind keine konkreten Zeitpläne seitens der Bundesregierung bekannt, die bisherige Steuerbegünstigung zu verlängern. Im Großen Koalitionsvertrag wird das Vorhaben allerdings erwähnt, womit man den Plänen der EU folgen würde, die Steuerbegünstigung bis 2030 festzulegen.
Was steht konkret im Koalitionsvertrag? Konkret steht kein Datum, nur die Willensbekundung:
Koalitionsvertrag– Passus zu Erdgas:
Wie hoch die Begünstigung ausallen wird, wie lange sie laufen soll, das alles ist noch völlig unklar. Auch die Frage, ob und wann es umgesetzt wird.
Investitionsunsicherheit für den Käufer
Es gilt: Wozu soll sich ein Autofahrer dann noch ein Erdgasfahrzeug oder ein Erdgas-Hybridfahrzeug kaufen, wenn Benzin genauso teuer sein wird und darüber hinaus überall verfügbar ist (durchaus hinreichende 1.000 Erdgastankstellen versus völlig ausreichende 14.000 Benzintankstellen, Stichwort regionale Abdeckung)?
Das aktuelle Energiesteuergesetz besagt (Link zum Gesetz):
Mit dem „Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform“ aus dem Jahre 2002 wurde die Steuersatzermäßigung für von allen Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr genutztes Erd- und Flüssiggas bis zum 31. Dezember 2009 fortgeschrieben. Dadurch reduzierte sich der Preis für Erdgas auf rund 54 Cent pro kg (Stand Juli 2006). Im Zuge der Gleichstellung von Erd- und Flüssiggas beschloss der Deutsche Bundestag, die Steuerbegünstigung für diese beiden Alternativ-Kraftstoffe gleichermaßen bis zum Jahr 2018 festzulegen.
Vom Zoll wie folgt zusammengefasst: Erdgas als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge
Stand Forschung und Produktionsverfahren
Wenn demnach Erdgas inkl. Biogas finanziell künstlich gestemmt werden muss, damit es am Markt besteht, wie weit ist es dann mit diesem Brennstoff als Alternative wirklich? Wie weit ist die Forschung? Wie weit sind die Produktionsverfahren, wenn bis 2030 gefördert werden soll? Ist dann dieses schöne Schaubild einer niederländischen Universität – von der wir gleich mehr zu hören bekommen – mit einer entsprechenden Versuchsanlage reine Makkulatur? 5 Kühe und 40.000 KM an kalkulatorischer Biogasreichweite? Retten 5 Kühe tatsächlich die Welt?
Und dabei sieht die Biogasherstellung so schön grün aus:
So sieht es Skoda, ein Autohersteller der sich ebenso wie andere Hersteller mit der Frage beschäftigt, welche alternative Möglichkeiten es gibt:
Hierzu ein Abdruck aus dem Gespräch zwischen dem Autobauer Skoda und Chris de Visser, einem Mitarbeiter der Universität Wageningen (Holland). Es zeigt recht gut auf, wie in gesamtheitlichen Kreisläufen gedacht und geforscht werden muss, auch wo die Herausforderungen liegen, um künstlich hergestelltes Erdgas anzubieten.
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Niederländische Versuchsanlage der Universität Wageningen
Niederländische Forscher suchen nach neuen Wegen, erneuerbare Energie auf die Straße zu bringen. Ein Versuchsgut der Universität Wageningen bei Amsterdam ist ein Schwerpunkt der Biogasforschung. Seit 2007 arbeiten hier Wissenschaftler daran, Abfallstoffe aus der Landwirtschaft als Energiequellen zu nutzen. Davon profitieren könnten nicht nur Landwirte, sondern umweltbewusste Autofahrer – und die Natur insgesamt.
Wer Chris de Visser an seinem Arbeitsplatz besucht, der könnte sich eher in der norddeutschen Tiefebene wähnen als gerade eine halbe Stunde vor den Toren Amsterdams: Die Landschaft in der Provinz Flevoland ist von großen Ackerflächen geprägt und relativ dünn besiedelt. Bis vor gut sechzig Jahren gab es dieses Land noch nicht: Es lag am Boden des Ijsselmeers. Seitdem wurden große Teile dieser Nordseebucht eingedeicht und trockengelegt. Auf dem fruchtbaren Land gedeiht Ackerbau, aber auch die Viehzucht. Die Universität Wageningen forscht für die hier ansässigen Bauern. Daraus entwickelte sich ein Projekt zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen, das sich heute auch mit der Erzeugung von Biogas beschäftigt.
„Die Aufgabe war, ökologische Ungleichgewichte auszugleichen, die eine intensive Landwirtschaft mit sich bringt”, sagt Chris de Visser von der Universität Wageningen, der das Projekt leitet. „Das erzwingen schon die gesetzlichen Rahmenbedingungen: Konnte ein Landwirt früher seinen Kuhdung auf dem Markt verkaufen, so ist der Preis, den er nun erzielen kann, wegen verschiedener Vorschriften und Auflagen negativ geworden, der Landwirt müsste also Geld dafür bezahlen, dass ihm jemand seinen Dung abnimmt. Also braucht er eine andere Verwertung dafür, und dazu bietet sich grundsätzlich die Vergärung von Dung zu Biogas an. Daran forschen wir hier.” Deshalb hält das Institut in einem Stall neben dem Verwaltungsgebäude rund 120 Kühe.
Der Dung, den sie erzeugen, wird aufgefangen. Das ist auch der Grund, warum sie den Stall nicht verlassen. Würden sie auf der Weide grasen, wäre es zu aufwendig, manchmal auch unmöglich, den Dung aufzusammeln. Im Stall selbst sorgt der Betreiber aber dafür, dass sich die Kühe frei bewegen und nach Belieben niederlassen können, auch besteht der Boden nicht aus Beton, vielmehr werden hier verschiedene Beläge daraufhin erprobt, wie gut Kuhhufen sie vertragen. Das Vieh scheint zufrieden zu sein: Der Beobachter nimmt mit Staunen wahr, dass die Kühe freiwillig zum Melkautomaten hinüberwandern und sich ihre Milch abzapfen lassen.
Dung zu Wärme, Wärme zu Alkohol
„Sie bekommen schnell mit, dass es zur Belohnung Futter gibt”, sagt Chris de Visser. „Deshalb haben sie einen Sensor um den Hals hängen, anhand dessen die Maschine feststellen kann, ob eine Kuh an einem Tag schon einmal gemolken wurde. Der Dung, den die Kühe erzeugen, wandert in zwei Generatoren nebenan, wo er zu Biogas vergoren wird. Das Gas treibt dann ein Blockheizkraftwerk an, das Wärme und Strom erzeugt. Mit der Wärme werden im Winter Teiche beheizt, um darin die Algenproduktion zu fördern, der Strom wird ganzjährig ins Netz eingespeist. „Das ist in den Niederlanden aber bei weitem nicht so lukrativ wie in Deutschland, denn in Holland haben wir keinen Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren Energien, außerdem richtet sich die Einspeisevergütung nach dem Marktpreis, ist also nicht wie in Deutschland betraglich festgelegt. Im Ergebnis ist der Preis, den ein Erzeuger von Ökostrom erzielt, in den Niederlanden deutlich niedriger als in Deutschland”, erläutert de Visser.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, die entstehende Wärme auch im Sommer zu nutzen, wenn sie nicht anderweitig gebraucht wird. „Wir haben eine Demonstrationsanlage errichtet, die einen Teil Äthanol aus Biomasse destilliert. Die Wärme aus dem Blockheizkraftwerk spaltet Mais in Stärke und Eiweiß auf, und aus der Stärke erzeugen wir Äthanol mit einem Alkoholgehalt von 60 Prozent. In der nächsten Ausbaustufe werden wir einen Alkoholgehalt von 99 Prozent erreichen, so dass wir das Endprodukt zu einem guten Preis als Rohstoff beispielsweise an die chemische Industrie verkaufen können”, sagt Wissenschaftler Chris de Visser.
Subventionen machen am Ende den Mais zu teuer
Doch die Forscher haben auch das ‚andere‘ Ende des Produktionsprozesses im Blick, also die Rohstoffe. Hier kommt auch die Diskussion ins Spiel, die in Deutschland unter der Schlagzeile “Tank oder Teller” bekannt geworden ist. „Biogas aus Dung allein ist nicht wirtschaftlich”, sagt de Visser, “dafür ist in Kuhdung zu wenig Restenergie vorhanden. Kühe sind Wiederkäuer, und das bedeutet, dass sie die Energie aus ihrem Futter sehr effizient nutzen. Die Kehrseite ist dann, dass in dem, was sie übriglassen, nicht mehr so viel Energie steckt.” Also muss man geeignete Zuschlagsstoffe finden, wie zum Beispiel Mais.
Die richtige Mischung wird gesucht
Das Institut forscht unter anderem nach weiteren Zuschlagstoffen und setzt dabei auf bisher nicht genutzte Abfälle aus der Landwirtschaft, denn die gibt es nahezu kostenlos. Darum gruppieren sich rund um die beiden Biogasgeneratoren ein halbes Dutzend Vorratsbecken, die verschiedene landwirtschaftliche Abfallprodukte enthalten. „Wir führen Versuchsreihen durch, um zu erfahren, welche Substanz sich in welchem Mischungsverhältnis mit Kuhdung am besten vergären lässt”, sagt de Visser. „Im Augenblick erscheinen uns die Blätter von Zuckerrüben besonders interessant.” Die bleiben bei der Ernte meist auf dem Acker liegen und verrotten. Dabei enthalten sie relativ viel Energie und lassen sich in Biogasanlagen gut vergären. „Zusammen mit unseren Partnern aus der Industrie untersuchen wir derzeit, ob wir vor der Vergärung noch das Eiweiß aus den Blättern abtrennen und dann nur noch den Rest vergären können. Wir sind also immer auf der Suche nach Lösungen, die eine höherwertige Nutzung der Biomasse erlauben, ganz gleich, worum es im Einzelnen bei der Biomasse handelt.”
Mindestens ebenso wichtig ist für die Universität jedoch die Suche nach einem höherwertigen Endprodukt, zum Beispiel CNG (compressed natural gas, komprimiertes Erdgas). Dabei handelt es sich um Methan, das aus biologischen Quellen entsteht, und mit dem sich auch Automotoren antreiben lassen. Deshalb steht seit letztem Jahr neben dem Blockheizkraftwerk ein Container, in dessen Inneren sich eine Erzeugungsanlage für CNG befindet. „Das Biogas, das bei der Vergärung entsteht, ist eine Mischung aus Methan und Kohlendioxid”, erklärt Chris de Visser von der Universität Wageningen. „Damit es als Kraftstoff nutzbar wird, müssen wir die beiden Substanzen also trennen.” Das geschieht im Inneren des Containers, von dort aus wird das Gas in Flaschen abgefüllt und kann dann wie an einer Tankstelle in Fahrzeuge abgefüllt werden.
Der Traum von der Autarkie
Theoretisch könnte das Institut auf diese Weise autark in Bezug auf Treibstoff werden. „Wir beackern hier 1.200 Hektar Land. Unsere Biogasanlage liefert pro Stunde 50 Kubikmeter Biogas und 27 Kubikmeter Bio-CNG. Im Jahr sind das 21.600 Kubikmeter CNG, viel mehr als der Jahresverbrauch unserer Maschinen. Wir könnten sogar den Spitzenbedarf zur Erntezeit decken”, sagt der Forscher. Das stößt jedoch auf ganz praktische Schwierigkeiten: „Landmaschinen werden fast ausschließlich von Dieselmotoren angetrieben, und die müsste man erst aufwendig umbauen, damit sie sich mit CNG betreiben lassen.”
Als Treibstoff für Benzinmotoren ist das Gas jedoch sehr wohl geeignet. Mehr noch: Es lässt sich auch problemlos in das Erdgasnetz einspeisen. „CNG und Biogas sind chemisch weitgehend gleich, ja, Bio-CNG aus der Anlage in Flevoland enthält sogar mehr Methan als Erdgas aus der Förderstätte bei Groningen, hat also einen höheren Heizwert. Der Verbrennungsprozess ist bei Erdgas beziehungsweise CNG sauberer als bei Benzin und damit auch effizienter”, so Chris de Visser.
Dezentrale Infrastruktur
Und hätte dann jeder Bauer seine eigene Biogastankstelle? „In einzelnen Fällen kann dies eine attraktive Möglichkeit sein. Es käme da sicher auf die geographische Lage an. An einem verkehrsgünstigen Ort beispielsweise kann man sich das vorstellen.” Und sonst? „Aus unserer Sicht wird die Nutzung von Biogas in Zukunft dezentral geprägt sein. Insofern wird sie sich von der Nutzung fossiler Brennstoffe unterscheiden”, so de Visser. „Dort haben sie eine Rohrleitung, an deren Ende eine Raffinerie steht, und die bedient dann eine überregionale, manchmal sogar eine nationale Nachfrage. Bei Biogas und auch bei CNG stellen wir uns einen differenzierten Prozess vor. Je nach Lage könnte der Landwirt sein CNG direkt abgeben, oder aber er speist es in das Erdgasleitungsnetz ein.”
Die dezentrale Nutzung hätte noch einen anderen Vorteil: Sie könnte geschlossene ökologische Kreisläufe schaffen: „Die Ernährung der Weltbevölkerung steht derzeit vor einem noch ungelösten Problem, und das ist die zunehmende Knappheit von Mineraldünger”, warnt Chris de Visser. Mineraldünger besteht im Wesentlichen aus Stickstoff und Phosphat. Luft besteht zu zwei Dritteln aus Stickstoff, dessen Abscheidung daraus zwar technisch machbar ist, aber sehr energieaufwendig wäre. Phosphat dagegen gewinnt man ausschließlich aus Mineralien. Die leicht erschließbaren Vorräte sind weitgehend erschöpft, und so warnen Fachleute, dass der Welt eher das Phosphat ausgehen könnte als das Erdöl. „Für Bauern in Afrika haben sich die Kosten von Phosphatdünger in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. Mineraldünger ist somit für viele unerschwinglich geworden, weshalb sie ihn gar nicht mehr einsetzen. Dann verarmt aber früher oder später der Boden und wirft nichts mehr ab”, sagt der Wissenschaftler.
Wertvolle Stoffe werden zurückgewonnen
Glücklicherweise bietet die Biogaserzeugung hier Möglichkeiten des Gegensteuerns. „Beim Vergären bleiben die Nitrate und Phosphate aus den Rohstoffen vollständig erhalten”, so Chris de Visser, “es geht fast nichts verloren. Die Aufgabe besteht also darin, den Weg von der Biogaserzeugung zur Düngung möglichst kurz zu halten.” Deshalb findet sich auf dem Gelände des Bioscience Center auch ein Glashaus, in dem Algen produziert werden: „Was von der Biomasse nach der Vergärung im Generator übrigbleibt, nennen wir Gärrest. Dieser Gärrest kann als Dünger bei der Algenproduktion eingesetzt werden. Das ist, wenn Sie so wollen, die Nutzung des Phänomens der Algenblüte, das man heute noch an manchen überdüngten Gewässern beobachten kann. Wir arbeiten daran, dass dieses Phänomen unter Kontrolle abläuft”, sagt der Wissenschaftler.
Die Algen könnten dann als Futterstoff für die Viehzucht dienen. Der dort anfallende Dung ginge in den Biogasgenerator, und der Gärrest hinterher als Dünger in die Algenzucht und so weiter. So schließt sich der Recycling-Kreislauf.
Gas auch aus Gras
Viel banaler, jedenfalls auf den ersten Blick, erscheint noch ein anderer Rohstoff: Gras. Grasschnitt fällt an vielen Stellen in großer Menge an, ob in privaten Gärten, in öffentlichen Grünanlagen oder anderswo. Der Privatmann mag seinen Grasschnitt nach dem Rasenmähen auf den Komposthaufen werfen, für die öffentliche Hand kommt das nicht in Frage, weil hier einfach zu viel Grasschnitt anfällt. „Der größte Teil dieses Grasschnitts wird derzeit als Müll entsorgt”, sagt de Visser, „dabei handelt es sich um einen wertvollen Energieträger.”
Die Nutzung von Grasschnitt könnte auch dem ökologischen Gleichgewicht nützen, noch dazu in schützenswerten Gebieten: „Überdüngung von Gewässern entsteht bei uns in den Niederlanden, aber auch anderswo, oft in Naturschutzgebieten, wohin Grund- und Regenwasser aus landwirtschaftlichen Betrieben ablaufen. Das gefährdet dann das ökologische Gleichgewicht, weil die Überdüngung zu viel Biomasse entstehen lässt. Deshalb werden in diesen Gebieten immer wieder die Wiesen gemäht, und auch dabei fällt enorm viel Schnitt an.” Schnitt, der im Fall der Schutzgebiete auch noch wertvolle Stoffe wie Phosphat und Nitrat, also Stickstoffverbindungen enthält.
Kostenfaktor wird zur Erlösquelle
„Wenn wir diesen Grasschnitt zur Erzeugung von Biogas nutzen könnten,” so de Visser, „dann wäre ein hochwillkommener Nebeneffekt, dass wir diese Düngerstoffe zurückgewinnen könnten, denn sie blieben ja im Gärrest.” Die Nutzung von Grasschnitt könnte sogar den Bau und Unterhalt von Straßen wirtschaftlicher machen. Wie? „Wenn unsere Regierung heute ein Unternehmen mit dem Bau und Unterhalt einer Straße beauftragt, dann umfasst der Vertrag regelmäßig auch das Mähen des Grases am Straßenrand. Das ist für die Unternehmen derzeit ein reiner Kostentreiber, denn auch sie haben keine Verwendung für den Grasschnitt, müssen aber für die Mäharbeit und für die Entsorgung bezahlen.”
Die Gewinnung von Biogas aus Grasschnitt könnte aus dem Kostenfaktor eine Erlösquelle machen. Was muss dafür geschehen? „Gras besteht neben Eiweiß und anderen Stoffen aus Lignozellulose, also aus teilweise verholztem Zellstoff. Das Vergären zu Biogas setzt voraus, dass Bakterien die Zellulose aufschließen können. Im Augenblick ist das im Labor auf verschiedene Weisen möglich: Man kann das Gras kochen, also hohen Temperaturen und hohem Druck aussetzen, man kann es mit Säure behandeln oder auch mit Enzymen. Wir entwickeln diese Methoden zu Pilotverfahren auf dem Weg zu einer industriellen Nutzung.”
Industrielle Lösungen in drei bis vier Jahren
Doch wie realitätsnah steht das Projekt? „Unsere Aufgabe ist es, Konzepte zu entwickeln, also Musterlösungen”, sagt Chris de Visser. „Wir müssen zeigen, dass diese Konzepte grundsätzlich die Aussicht auf Wirtschaftlichkeit haben, und deshalb genügt es nicht, wenn wir sie nur im Labor optimieren. Damit ein Prozess wirtschaftlich genutzt werden kann, muss er, wie man sagt, skalierbar sein, er muss sich also mengenmäßig ausbauen lassen. Deshalb betreiben wir unsere Forschungen auf einem landwirtschaftlichen Versuchsgut auf Anlagen, die vielleicht etwas kleiner sind als die auf einem durchschnittlichen Bauernhof, die aber doch von den Dimensionen her vergleichbar sind.”
In drei bis vier Jahren, so glaubt der Wissenschaftler, wird sein Institut die Wirtschaftlichkeit der wichtigsten Verfahren belegen können, an denen es derzeit forscht. „Spätestens dann erwarten wir, dass Unternehmen darein investieren. Wir sind in ständigem Kontakt mit Partnern aus der Energiebranche, schon allein, weil wir nicht nur an Biogas arbeiten, sondern auch an Windstrom: Auf unserem Gelände stehen sechzehn verschiedene Modelle von Windrädern, deren Wirtschaftlichkeit wir im Dauerbetrieb erforschen.”
Staatlich verzerrte Wirtschaftlichkeit
Und wenn der Wissenschaftler einen Wunsch an die Politik frei hätte? „Es wäre gut, wenn der Gesetzgeber seine Subventionspolitik überprüfen würde. Subventionen machen träge und verhindern Innovationen. Wir hätten gerne mehr staatliche Chancengleichheit für unsere Forschungen an CNG aus Biogas. In den Niederlanden fahren schon zehn Prozent aller Autos mit CNG. In der Theorie könnten wir jeden Benzinmotor auch mit CNG betreiben, und zwar mit CNG aus Biomasse, also garantiert klimaneutral. Und die Technik steht schon jetzt zur Verfügung, das ist der große Unterschied zu anderen Antrieben!”
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Einen weiteren, generellen Überblick zu möglichen Energiequellen findet ihr in der Brand Eins, in einem sehr ausführlichen Dossier: Unter Strom
Mit der Energiewende hat sich die Bundesrepublik ein ehrgeiziges Projekt vorgenommen. Mittlerweile ist es ins Stocken geraten. Dabei braucht die Welt dringend neue Konzepte für eine effiziente und umweltfreundliche Stromversorgung.
In der Wikipedia findet Ihr weitere Angaben zu Biogas, aus welchen Quellen sich wievel Biogas herstellen ließe und wie es mit der weltweiten Verbreitung aussieht. So lernen wir, dass 5 Kühe alleine nicht ausreichen, um die Autowelt mit Energie zu versorgen:
Daher wird auch klar, warum o.g. Forschungsanlagen mit diversen Rohstoffquellen arbeiten müssen, um aus einer Mixtur heraus ein effizientes Mischverhältnis aus Energieerzeugung und Treibstoffherstellung auszutarieren.
Status Quo heute:
Im Jahr 2014 entspricht die Biogasproduktion in Deutschland etwa 20% der Erdgasimporte aus Russland. Mit dem verbleibendem Potenzial können etwa weitere 10% ersetzt werden, unter Berücksichtigung technischer und demografischer Entwicklungen bis zu insgesamt 55%. In der EU entspricht die derzeitige Biogasproduktion etwa 6% der Erdgasimporte aus Russland. Mit dem verbleibendem Potenzial können etwa weitere 26% ersetzt werden, unter Berücksichtigung technischer und demografischer Entwicklungen bis zu insgesamt etwa 125%.