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Im Handelsblatt findet sich ein prima Artikel über Wohl und Wehe der Daten, die in modernen PKWs anfallen:

Der überwachte Autofahrer
Je mehr Hightech in unseren Autos steckt und je stärker diese mit der Außenwelt vernetzt sind, desto schwieriger wird es, sie gegen An- und Eingriffe zu schützen. Experten fürchten nicht nur um die Sicherheit der Daten„.

Beispiel eCall
Schon bei eCall (dem womöglich bald einzuführenden Notrufsystem in der EU, das bei einem Crash die Rettungsdienste automatisch informiert) gab und gibt es Bedenken seitens der Verwendung der Daten für über das Crash-Szenario hinausgehenden Möglichkeiten. Manche sprechen gar davon, hier würde eine Telematik-Infrastruktur ohnegleichen geschaffen, um die PKWs und Fahrer zu überwachen. Denn, wenn jedes Neufahrzeug gesetzlich zwingend mit einem eCall ausgestattet ist, melden doch alle Fahrzeuge ihre Positionsdaten. NSA und Rasterfahndung lässt grüßen, unken die Kritiker. Auf Basis des System kann man dann noch weitergehende Szenarien schaffen, für Versicherungen, Werkstätten und die Polizei.

Die Kritiker sind Jahre hinterher
Weit gefehlt die Bedenken? Die jetzt aufkommenden Gespräche über eCall haben ein immenses Timelag von mehreren Jahren. Denn die Kritiker übersehen, dass moderne Autos seit Jahren mit Systemen ausgestattet sind, die nicht nur Fahrzeugdaten aufzeichnen (Beschleunigung, Schlupf, Bremsen, Neigung, Drehzahl, Verbrauch, …), sondern auch über die Cloud einen ganzen Batzen von Daten an die Hersteller und Werkstätten übertragen. Die nicht nur vom Fahrzeug selbst stammen, sondern auch vom Fahrer selbst produziert werden, wenn er Apps wie Facebook, Twitter, Soundcloud und Hotel.com verwendet.

Persönliche Identifikation leichter gemacht
Und es geht weiter: Der Fahrer eines kommenden BMW Modells identifiziert sich im Computersystem des Fahrzeugs persönlich, um seine voreingestellte App-Welt individuell wiederzubekommen, egal welches BMW Modell er fährt (Umstellung der BMW Strategie bei der Nutzung der Computersysteme: Weg vom IT-Fokus aufs Fahrzeug, hin zum Fahrer, sozusagen das persönliche Login im Fahrzeug). Zu dieser Login-Strategie werden früher oder später alle Hersteller wechseln, sobald die Systeme verbreitet sind und auch in Firmenflotten Einzug halten. Da die meisten modernen Fahrzeuge in D von Firmen erstanden werden (2/3 Anteil), diffundieren all diese o.g. Techniken nach Ablauf der Finanzierung (i.d.R. 3 Jahre) in den Sekundärmarkt sprich auf den Gebrauchtwagenmarkt, womit spätestens dann Privatkonsumenten vernetzt werden. Absolut gesehen: Rund 2 Mio moderne Fahrzeuge werden von deutschen Firmenkunden erstanden, zahlreiche davon sind mit den bleeding edge Syystemen ausgestattet. Das Tempo der sog. „Demokratisierung der Technik“ – ausgehend davon, dass Premiumfahrzeuge die modernsten IT Systeme an Bord haben – ist nicht schleppen, sondern rasend.

Opel deklariert keine Terroristen
„So what“ kann man sich fragen: Wenn es schon die Bundesbürger nicht wesentlich juckt, dass sie womöglich staatlich ausgespäht werden, was soll es sie dann jucken, wenn Opel weiß, wo man sich befindet, die können einen ja nicht als Terrorist deklarieren? Nicht wirklich, aber ein US Hersteller hatte erst kürzlich die Hosen herunterlassen müssen.

Fords erste Sünde
Handelsblatt schreibt: „Und diese Erkenntnisse basieren auf dem GPS-Navigationssystem, das der Massenhersteller Ford in allen 2013 und 2014 verkauften US-Modellen einsetzt. Es speichert Längengrad, Breitengrad und einen Zeitstempel für zwei bis drei Wochen. Weitere Daten wie etwa Fahrtrichtung und Geschwindigkeit werden nur unter bestimmten Umständen für 90 Tage gespeichert, aber auch mit Service-Providern geteilt.

Werbung macht Ford nicht mit diesen Fakten. Sie wurden in erster Linie deswegen öffentlich, weil man einem US-Senator antworten musste, der nach Farleys Äußerung kritische Fragen gestellt hatte. Dabei kam auch heraus, dass Ford schon öfter die US-Strafverfolgungsbehörden mit diesen Daten unterstützt hat.

Abziehbild Deutschlands bei den Herstellern
Ein noch größeres Szenario macht das alles noch viel spannender: Mit Aufkommen der automatisiert fahrenden PKW-Generation, die bis 2020 faktisch auf den Straßen fahren werden und heute schon für bis zu 15 Sekunden teilautonomes Fahren oW möglich ist, wird das Scannen der Umgebung und komplette Vernetzen der Fahrzeuge untereinander ungeahnte Szenarien ermöglichen. Scannen der Umgebung? Vernetzen der Fahrzeuge? Das Scannen der Umgebung resultiert aus den Fahrzeugsensoren, die militmetergenau die Straßen, Kreuzungen, Baustellen, Schlaglöcher, Radwege, Häuser, Supermärkte, Parkplätze und Bäume erfassen. Was niedlich klingt, warum man wohl Bäume oder Kreuzungen erfassen soll, ist für den Einsatz automatisiert fahrender Fahrzeuge unabdingbar. Die PKW Systeme müssen vorausschauend fahren, um milimetergenau zu wissen, wie das Auto um die nächste Ecke zu steuern hat, ohne einen Crash zu verursachen. Das wird zu einem kompletten 3D Abbild der Straßenumgebung führen. Dieses Abbild wird natürlich nicht im Auto verbleiben, sondern zentral gesammelt. So gesehen werden Hersteller wie Daimler, BMW, Audi und VW ein Abziehbild Deutschlands besitzen? Zu jeder Sekunde in Realzeit? Überall dort wo Autos fahren, wird das mehr oder minder Fakt sein.

Warum die Hersteller schlafen, aber eigentlich handeln müssen
Gibt es dann einen Aufstand in der Bevölkerung, wohingegen Street View wie ein Sandkastenaufstand wirken wird? Ich denke nicht. Die möglichen und erdenklichen Vorteile aus den Nutzungsmöglichkeiten lassen heute schon erahnen, wie potent diese Systeme sind. Was aber völlig glasklar ist: Die Hersteller werden weitaus proaktiver vorgehen müssen, um heute schon mit der Aufklärung zu starten, aber auch transparenter sein müssen, um regulatorischen Auswüchsen vorzubeugen, die mit Sicherheit aufgrund öffentlichen Drucks entstehen werden. Wir können jetzt schon bei der Einführung des eCalls beobachten, wie intransparent die Einführung auf legislativer Ebene erfolgt. Keiner weiß so recht, was denn da die EU und die Hersteller konkret ausbaldowert haben. Mit Verbreitung und Ausweitung weitaus potenterer Systeme wird der Handlungsbedarf für die Hersteller immer größer, nicht zu lange zu warten.

Staat muss ebenso handeln
Und der Staat muss ebenso langsam aufwachen, denn es dürfte klar sein, dass hier extrem großer, regulatorischer Bedarf im Zuge der technischen Entwicklungen herangewachsen ist. Der Staat nicht im einseitigen Sinne als Verweigerer oder Förderer der Bedenkenträger oder Technikgläubiger, sondern als Mittler von Interessen, Chancen, Risiken, Bedenken und Sorgen. Weder darf eine Initiative dazu führen, dass ein Verkehrstoter dran glauben muss, weil Datenschutzfanatiker lieber Daten denn Leben retten. Umgekehrt darf niemand zu seinen Gunsten Daten missbrauchen, die nicht für den vereinbarten Zweck zur Verarbeitung freigegeben waren.

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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