Das Auto wird als Fortbewegungsmittel ebenso wie das Handy als Telefoniemaschine seine wahrgenommene Rolle behalten und dennoch verlieren. Die Durchsetzung des Autos mit digitalen Produkten, Medien und Services wird beim Konsumenten eine angepasste, mit der Zeit gehende Sicht auf das Produkt nach sich ziehen. Wo heute automobile Produktneuheiten nur Autofans interessieren, wird es morgen halb Facebook und Twitter wie zu besten Apple-Zeiten einnehmen. Ich habe die Zukunft in den gläzenden Augen der Blogger gesehen. Der Reihe nach…

Ford hatte mich und hunderte andere Blogger in die USA eingeladen, um sich über den neuesten Stand der Produktentwicklung zu informieren (Flug und Hotel wurden von Ford übernommen, viel wichtiger, das Essen auch). Eines der Highlights war dabei für viele – und das ist kein Zufall zugleich auch der Aufhänger für diesen Artikel – die neueste Entwicklung: Ford hat in Analogie zu den großen Internetplayern wie Facebook, Google, Microsoft und Apple eine eigene Entwicklungsplattform für App-Entwickler gestartet. Ford nennt es „Ford Developer Program„.
devford

Von Apple zu Android zu Ford
Jeder Anbieter, der bisher Apps für Smarpthones auf Apple und Android-Basis entwickelt hat, kann mit Hilfe dieser neuartigen Schnittstelle („App-Link“) seine bereits für Android/Apple fertige App anpassen, umwandeln und damit in ein aktuelles Auto der Marke Ford bringen. Ford hat natürlich im Vorfeld diverse App-Anbieter ins Boot geholt, so dass sich der Autofahrer während der Fahrt via Voice die neuesten Nachrichten vorlesen lassen, Webradio lauschen oder social networken kann. Alle notwendigen Standards wurden eingehalten. Die Entwickler bekommen ein SDK-Kit, eine Doku, Code-Beispiele, unterliegen einem üblichen Freigabeprozess, bekommen Suport und Hilfe wo nötig (inkl. dem Test der App unter den Fittichen von Ford an einem Hardware-Simulator, der das Cockpit eines Fords darstellt). Klar erhoffen sich Anbieter davon, dass die Kunden im PKW auch zahlungsbereit sein werden bzw. dazu beitragen werden, dass die Autofahrer zu Konsumenten werden (Radio, Newsanbieter, Navianbieter, und und und).

Wie funktioniert das im Auto?
Selbstverständlich sind aufgrund der Anforderungen an Sicherheit und Gestaltung Restriktionen zu berücksichtigen, so dass der Fahrer nicht abgelenkt wird und ewig lange am Smartphone herumzufummeln hat. Die App wird auch nicht über das winzige Smartphone angesteuert, sondern über das eigene im Ford eingebaute Computersystem namens Ford „Synch“. Sämtliche Eingaben und Befehle erfolgen nicht anders als beim Navigieren über die Bedienelemente des Autos (Sprache und Schalter). Die Ausgabe erfolgt ebenso über den eingebauten Ford-Monitor und die Ford-Lautsprecher. Was auch erstaunlich ist? Ford ermöglicht es, eigene Hardware im Auto zu verbauen. Das kann von mir aus eine Kamera sein, die mittels App im Wagen gesteuert wird. Die Kommunikationsschnittstelle von Ford AppLink verhindert und untersagt nicht, dass Hardwaresignale zwischen dem PKW und der eigens angebotenen Zusatzhardware ausgetauscht werden.

Welche Vorteile hat Ford davon?
Ford unterliegt wie alle Autofirmen dem Problem, dass die Automobilindustrie längere Entwicklungszyklen aufweist denn die mobile Computerindustrie. Speziell im Bereich Software. Das Problem ist für alle Hersteller, wie man dieser stetig wachsenden Welt aus mobilen Angeboten überhaupt noch nachkommen soll, zumal man im Haus selbst nicht einmal ansatzweise diese massive Kreativität in der Breite aufbringen (Ford wird nicht 100.000 App-Developer beschäftigen, es ist und bleibt ein Autohersteller). Nun kann man darüber unken oder nicht, aber klar ist, dass die Konsumenten zunehmend digital-mobiler werden. Es ist nur folgerichtig anzunehmen, dass dieser Trend auch nicht vor dem mobilsten Produkt überhaupt Halt machen wird.

Indem sich Ford gegenüber der IT-Welt öffnet und sich damit die Krone als Vorreiter in der Automobilindustrie aufsetzt (bezogen auf die fast schon als IT-Standard zu bezeichnende Form der offenen Entwicklerschnittstellen für Externe), setzt es zugleich ein Signal für kommende Trends als Trendsetter. Das kann sich ungemein auszahlen, die modernen Konsumenten zu erobern und mit zusätzlichen Argumenten als Käufer zu gewinnen.

Trend: Das Auto als mobiles Device
Tachometer
Der Trend ist, dass unsere heutigen Fahrzeuge immer mehr als ein mobiles Device verstanden werden. Ein Device, das durch und durch gespickt mit modernster Computerhardware und Software ist. Es wird vernetzt sein, teil- und vollautonom fahren, es wird fließend zwischen Arbeit, Freizeit und Heim Modi dem Autofahrer passende Services anbieten. Das Auto als ein mobiles Erlebnis nicht mehr nur auf der Straße, sondern dann im Auto selbst. Das, was einst mit dem Radio begann und sich über moderne Navigationssysteme fortsetzte, wird in weniger als einem Jahrzehnt zu einem digitalen Erlebnisrausm, Wohnzimmer und Burofläche. Es wird dem Auto völlig neuartige Produktmerkmale verschaffen. Und wenn die Autoindustrie immer schon eines konnte, dann im Wettbewerb mit gnadenlosen Unsummen an Geld diese Merkmale ausdifferenzieren, bewerben und um Marktanteile kämpfen.

Wird es dann heißen „Jetzt mit mehr CPU, mehr Speicher, mehr Megapixel„? Kann sein. Das Auto wird dennoch die primäre Rolle als Fortbewegungsmittel nie verlieren. Die Fortbewegung wird als Produktkern eine Selbstverständlichkeit sein, die nicht mehr hervorgehoben wird. So wie heute beim Smartphone schon lange nicht mehr hervorgehoben wird, dass man damit eigentlich telefonieren kann. Ich weiß, dass es sich aus heutiger Sicht merkwürdig anhört. Nur, es ist jetzt schon Realität! So bewirbt Mercedes die neue A-Klasse im Fernsehen auch mit dem Stichwort „Comand Online“ und zeigt dabei deren neueste iPhone-Integration.

Wird Ford zum neuen Apple?
Steile These, gewagte These. Aber einen richtigen und wichtigen Schritt sind sie gegangen. Natürlich erwarten wir von Ford nicht ein iAuto. Ich möchte damit etwas anderes ausdrücken: Es kann durchaus sein, dass sich die weltweit exzellent vernetzten IT Medien – allen voran die IT Blogger – immer mehr mit dem Thema Automobiles beschäftigen werden. Allerorten bekomme ich es mit und höre selbst vom Wired-Chef England, dass das Thema Auto immer spannender wird. Immer mehr IT Blogger richten ihre Blicke gen Automobiles. Ein altes Produkt, das in der neuen Zeit wiederentdeckt wird. Raus aus verstaubten Automagazinen. Rein in die rasende Informationswelt.

Sie – die neuen IT Medien – sind es, die uns heute mit den neuesten „Haben Wollen„-Produkten versorgen. Sie hypen Produkte nach oben. In rasenden und nie vormals geahnten Ausmaß. Es gibt wohl kaum einen anderen vergleichbaren Kanal im Netz, der schneller und ausführlicher jede Information aufsaugt, bewertet und verteilt.

Das ist ein nicht unwesentlicher Faktor für die Autoindustrie. Wer es heute versteht, diesen Kanal zu bespielen, ihnen die richtigen Produkte und Informationen in die Hand zu geben, „wird zum Apple“ des Autosektors. Das hat gewaltige Rückwirkungen auf die Produktplanung, Produktentwicklung und Kommunikation. Schon heute suchen Autohersteller händeringend Mittel und Wege, um junge Kunden anzulocken, Marken zu prägen, sich von den anderen abzuheben. Es ist kein Wunder, dass sie Lifestyle und Modethemen besetzen wollen. Wo sonst erreicht man junge Kunden, die späteren Käufer? Und welcher – bis dato untentdeckte Kanal – denn der um digitale Konsumprodukte könnte noch cooler sein, noch hipper, noch gewaltiger sein?

Umgekehrt entdecken die IT Blogger/Medien natürlich das Autoprodukt auch im Sinne der potentiell gigantischen Werbegelder, die Autohersteller verteilen. Ein The Verge, ein Techcrunch, Mashable, Wired und und und werden sich das nicht entgehen lassen. Diese Monstermaschinen an Content-Output, riesigen Redaktionsteams und Meistern des Hypings haben schon lange diesen Sektor im Auge. Nur bot der ihnen nicht genug Stoff an, um etwas Wiederverwertbares, Cooles für die Leser zu präsentieren. Auch das ändert sich zunehmend und immer schneller.

Diese gegenseitige Befruchtung wird den Prozess nur verschnellern. Ford gehört im Moment die Krone als Türöffner.

Interessiert Dich dazu etwas vom hippen Wired-Magazin?
Cars connected with apps und Let the robot drive

Foto von cyanopolis, Lizenz „CC BY 2.0“

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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