Wir schreiben das Jahr 2013. Oder anders: Wir stehen im 21. Jahrhundert. Klingt irgendwie vielversprechend modern und nach alles wird besser. Und wir sprechen nicht selten vom kommunikativen Digitalzeitalter.

In Zahlen:

Die weltweite technische Kapazität, Informationen über (unidirektionale) Broadcast und Rundfunk Netzwerke zu empfangen, ist von 432 (optimal komprimierten) Exabyte im Jahr 1986, bis 1,9 Zettabyte in 2007 gewachsen. Die globale effektive Kapazität Informationen durch (bidirektionale) Telekommunikationsnetze auszutauschen ist von 281 (optimal komprimierten) Petabyte in 1986, bis 65 (optimal komprimierten) Exabyte in 2007 gewachsen.

Klingt toll. Jeder kommuniziert mit jedem. Wenn er will. Manche wollen noch nicht wirklich. Betrachten wir die Automobilbranche, zeichnet sich ein Bild aus dem 20. Jahrhundert, Opas-Zeiten. Bis heute wird klassisch kommuniziert:

  • Pressemeldungen werden verteilt
  • Marketingkampagnen werden mit teuren Geld gefahren, um über neue Produkte zu informieren
  • Erste, zarte Facebook-Pages werden betrieben, um Marken- und Produktwelten zu vermitteln
  • Journalistische Anfragen werden zentral entgegengenommen und zu den Verantwortlichen weitergeleitet.

Und das ist schon alles? Ja. Das ist schon alles. Und wo spielt der News-Sex heute? Bei winzigen Geräten, die nicht einmal annähernd 10.000 Euro und aufwärts kosten.

Samsung S4
Betrachten wir im Vergleich dazu die ITK-Branche, allen voran die Giganten wie Google, Microsoft, Dell, IBM oder HP. Sie haben sich mehr oder minder an das 21. Jahrhundert angepasst. Alle Mitarbeiter können nach Absprache und entsprechender interner Ausbildung nach außen kommunizieren. Vom Sachbearbeiter bis hin zum Produktmanager und Executive Manager. Sie haben ein dichtes Informationsnetz geschaffen. Das sie in die Lage versetzt, sämtliche Informationen zeitnah und unmittelbar ins Netz stellen zu können, um die Distributionsmaschine zu befeuern. Spätestens nach wenigen Stunden hat Google seine Information zu neuesten Updates weltweit verteilt. Dank ihrer Produktblogs. Microsoft hat jede noch so kleinste Interessensgruppe mit News versorgt. IBM bringt sich zu wichtigen Trend-Themen mit eigenen Impulsen ins Gespräch. DELL lässt das Feedback und die Kritiken der Kunden mittens ins Herz des Unternehmens so verteilen, dass jeder Mitarbeiter weiß, welche Probleme die Kunden heute haben.

Es muss nicht verwundern, dass ausgerechnet IT-Unternehmen heute bestens in der Lage sind, Themen zu setzen und zu verteilen. Und neue Formen von Begehrlichkeiten beim Konsumenten schaffen.

Die Autoindustrie muss hingegen mit immens teuren Werbekampagnen fahren, um Kunden zu erreichen. Klassisches Broadcasting. Ihre Presseabteilungen haben Mühe, außerhalb der klassischen Pressekanäle für Aufmerksamkeit zu sorgen. Schaut man sich weltweit um, so findet sich nahezu kein Produktmanager, kein Entwickler, kein Designer kommunikativ im Netz wieder. Alles muss zentral durch ein Nadelöhr der Werbe- und Presseabteilungen.

Womöglich liegt es daran, dass die Automobilbranche ungleich komplexer ist? Wer die ITK-Branche kennt, weiß genau, dass dies keine Branche ist, die mit geringer Komplexität glänzt. Das kann es nicht sein, sich als Automobilbranche an kommunikativer Front so klassisch zu verhalten. Vielleicht fährt sie größere Risiken angesichts der Umsatzzahlen, was naturgemäß ein größeres Maß an Risikoscheu nach sich zieht? Laut BITKOM verzeichnete die deutsche ITK-Branche einen Umsatz von rund 150 Mrd Euro.

Die deutsche Autoindustrie?

Die Automobilindustrie ist, gemessen am Umsatz, der mit Abstand bedeutendste Industriezweig Deutschlands. Im Jahr 2008 wurden 345,9 Mrd. € erwirtschaftet. Die nächst umsatzstärkste Branche, der Maschinenbau, brachte es auf 225,5 Mrd. €. Rund 747.000 Personen waren 2009 in der Automobilindustrie hierzulande beschäftigt. Die Branche steuert mit rund 40 % den deutlich größten Anteil an den gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der deutschen Wirtschaft bei. Dies waren im Jahr 2009 ca. 22,1 Mrd. €. Ihr Exportüberschuss macht weit über die Hälfte des gesamten Exportüberschusses Deutschlands aus.

IBM, Microsoft, DELL und andere Großunternehmen der ITK fahren keine geringeren Risiken. Jeder kommunikative Mitarbeiter verantwortet unter Umständen Millionen von Umsatzvorteilen oder -nachteilen. Dennoch kommunizieren sie dicht am Kunden.

Ich halte es strategisch für einen große Fehler, dass die Automobilbranche in Deutschland nach wie vor kommunikativ-klassisch fährt. Die zukünftige Entwicklung und Bedeutung der deutschen Automobillandschaft hängt wesentlich davon ab, wie sie künftige Konsumenten erreichen. Die heute schon die Haltung gegenüber dem Automobil zunehmend verändern. Es ist nicht mehr das gigantische Statussymbol. Wo buzzen die Autohersteller? Welche Themen werden als Impulse gesetzt? Wo begeistert man junge Kunden? Wie erreicht man sie überhaupt noch abseits der klassischen Werbe- ud Pressekanäle? Wie schafft man moderne Begehrlichkeiten passend zur Neuzeit? In meinen Augen ist es unabdingbar, dass Autokonzerne an breiter Front die Entscheidungsträger aka Mitarbeiter mit Projektverantwortung ans Netz heranlassen. Um ein so dichtes Informationsverteilungsnetz wie nur irgend möglich zu schaffen. Jeder noch so winzige Aspekt eines PKW Modells muss jeder noch so winzigen Interessensgruppe angeboten werden. Die Schaffung dezentraler Informationsstellen (ob Blog, Twitter, YT, FB, Flickr, Tumblr… völlig wumpe) ist maßgeblich dafür. Es den Medien (Presse oder Autoblogger, Plakatwand oder TV-Spot) zu überlassen, ist fatal!

Gerade jetzt, wo die Autoindustrie einen dramatischen Wechsel erfährt, das Auto als digitales „Mobile Device“ geschaffen wird, das vernetzte und selbstfahrende Fahrzeug in wenigen Jahrzehnten Einzug hält, die urbanen Bürger auf das Auto als Eigentum verzichten. Gerade jetzt kommt es drauf an, digitale Produktbestandteile und Mobilitätskonzepte besser denn je zu kommunizieren. Das kann nicht allein das Werk der Presse- und Marketingabteilungen sein. Und ich habe nicht selten gehört, dass Produktmanager und Entwickler im Grunde keinen direkten Kontakt mehr zum Kunden haben, im Konzernalltag zu beschäftigt mit der Abarbeitung von Projekt-Tasks sind (wo wäre das nicht so, speziell in der ITK-Branche, wo Time to Market alles ist). Den Bodenkontakt zum Kunden zu verlieren, gerade bei den entscheidenen Stellen, ist brandgefährlich.

Mich wundert es, dass ein iPhone und ein Samsung S4 mehr News-Sex erzeugt als jedes PKW-Modell, das ungleich teurer und vollgestopfter mit brandneuer Technik daherkommt. Als Automanager würde ich mir ob dieser Entwicklung und Begehrlichkeitstrends größte Sorgen machen. Nicht, dass ein PKW eines Tages zu einem belanglosen Fortbewegungsmittel „bring mich von A nach B“ verkommt. Der Margendruck wird steigen, die Markenaufschläge werden sich verflüchtigen.

Foto von E-Plus, Lizenz CC BY 2.0

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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