Autobild war ganz begeistert

Das Elektroauto ist 2014 langstreckentauglich. Damit fällt ein großes Argument der Skeptiker der E-Mobilität weg. Doch ein anderes bleibt: Das Auto, das dies geschafft hat, ist eine teure Luxuslimousine. Mit BMW i3 oder Elektro-Golf hätte die Fahrt mehrere Tage gedauert. Mit der Kombination Model S und Supercharger zeigt Tesla der Autonation Deutschland auf deren Heimatboden, wie die Mobilität der Zukunft aussieht.

Das Manager-Magazin in e_Kstase

Ausgerechnet die Autonation Deutschland ist beim Thema Elektromobilität auf dem besten Wege, zu versagen – das macht der Test überdeutlich. Vom eigenen Anspruch, Leitmarkt für diese Technologie zu sein, ist die Bundesrepublik meilenweit entfernt… Teslas Model S ist wie ein Raumschiff aus der Zukunft in Deutschland gelandet – und es hat einen unwirtlichen Planeten vorgefunden. Das Auto ist derzeit einfach zu gut für Deutschland. Damit ist es aber zugleich ein Ansporn für Industrie und Politik, endlich zur Aufholjagd zu blasen.

Heise in sachlicherer Manier:

Sicher gibt es Details, die noch verbessert werden können. Erstaunlich am Tesla Model S ist jedoch nicht, dass es nicht in jedem Kriterium wie den Windgeräuschen die Spitze seiner Klasse markiert. Erstaunlich ist, dass es einer Firma aus dem Stand gelungen ist, ein dermaßen gutes und qualitativ hochwertiges Fahrzeug zu bauen, dass eben auch nirgends wirklich zurückfällt.

Bling Bling, Haben Wollen
Bestellen wir uns das Wunderwerk auf der Webseite und drücken auf den roten Knopf „Vollausstattung“

Tesla S P85

Soweit ich Testfahrzeuge kenne, bekommen die Medien stets die komplette Ladung auf den Hof gestellt. Das wäre unser Modell, was die obigen Medienorgane erfahren durften (abgeleitet aus den Berichten): Ein Tesla S P85. Wobei das „P“ für Performance steht. Eigentlich müsste es für „Preis“ stehen. Immerhin erkauft man sich damit eine Mehrleistung in Beschleunigung und Spitzengeschwindigkeit aber auch Batteriekapazität ein:

Tesla S

Man kann es aber auch sparsamer halten: Wer sich das Einsteigermodell mit Vollausstattung holt, der muss lediglich 95.290 € ausgeben. 25.000 € gespart. Weniger Speed, Beschleunigung und Energiekapazität. S steht also auch für Sparbrötchen.

Was macht ein guter Deutscher damit?
Erstens fährt er vom Hof des eigenen Anwesens und zeigt den Nachbarn, was modern heißt. Nicht Stern, nicht Niere, nicht audimpische Ringe. Was aber dann? In der Stadt vor angesagten Locations herumfahren? Bringt auf Dauer nur eingeschränkten Spaß da externalisiert. Internalisieren wir das und bewegen uns mit dem 2.100 Kilogramm schweren Wuchtbrummer auf die Autobahn. Und geben Gas. Wohin? Sagen wir von München aus nach Norden auf der A9 Richtung Nürnberg. Um sich im Aumers La Vie am Ceviche von der Jakobsmuschel mit Orange, Tomate und Liebstöckel und Pommerschen Färsen-Entrecôte mit Essigkarotten und Malzcreme zu goutieren. Das Navi sagt: 196 KM von Grünwald bis Nürnberg. Wir haben großes Glück, die Autobahn ist herrlich leer und wir können ausnahmsweise Gas geben. Die Strecke ist wie geschaffen dafür. Wir übertreiben es nicht und jagen den Performance Tesla mit lieblichen 180 KM/h über die A9. Der Hunger wächst und da biepst es schon nach einer Stund, eine liebliche Stimme ertönt „Warnung, niedrige Energie„. Was? Du Zipfeklatscher, du verhauter, a so a doagada Loamsiada! ertönt es. Aus dem berufenen Munde des Fahrers anstelle des Fahrcomputers. Der Navigationscomputer zeigt noch 20 Kilometer bis zu den ersehnten Jakobsmuscheln und dem Färsen-Entrecôte.

Was war passiert?
Ein 120.190 Euro (immerhin inkl. Mehrwertsteuer) Perfomance-Wagen, der laut Medien ekstatisch bejubelt wird, schafft bei einer germanisch-zügigen Fahrweise von 180 KM/h gerade einmal 180 KM an Reichweite? Bis dahin und die verbliebenen Elektronen jappsen im Restladungstümpel vor sich dahin?

Immerhin wird die Reichweite mit bis zu 502 KM wie zu besten Neckermann-Reisezeiten auf der Homepage angepriesen. Ok, dass es durchaus etwas weniger – bei zügiger Fahrweise – sein dürfte, kann man durchaus hinnehmen. Ein Blick auf die Leistungsdaten zeigt, dass die Ladung der 85 kWh großen Batterie bei 120 KM/h für rund 350 KM ausreicht. Wir kämen nach Nürnberg. Aber mal ehrlich, wer zuckelt mit 120 KM und einem 120.190 € Geschoss auf der A9 dahin? BMW i3 Fahrer? Fiat Pandas Baujahr 1990? Smarties auf Rädern? Erhöhen wir die Geschwindigkeit auf 160 (+33%) oder 180 (+50%) steigt der Energieverbrauch von 215 Wh/km (bei 120) drastisch auf 320 Wh/km (+49%) und 420 Wh/km (+95%). Und die Reichweite sinkt steiler als ein Ziegelstein weitfliegen kann.

Hätte der Tesla-S Simulant aufgepasst, würde er den Zusammenhang aus Zunahme des Luftwiderstandes mit steigenden Geschwindigkeiten kennen. Der Motor muss immer mehr Kraft aufwenden, um den Luftdruck zu überwinden. Bis ihm förmlich die Puste ausgeht, da der Luftwiderstand zu groß für die Power des Wagens wird.

Doch kein imperialer Stromkreuzer gelandet
Ich bin kein Raser. Aber ich kenne niemanden, der mit teuren PKWs über die Autobahn knapp über Smart-Speed schwebt. Da wirste ja bekloppt auf langen Strecken! Tesla tröstet Kunden mit dem Versprechen, in ca. 1 Stunde 110 Kilometer an Reichweite nachladen zu können. Mit Tesla eigenen Schnellladern sollen es dann noch viel schneller gehen. In 30 Minuten 270 KM. Ihr findet diese Schnelllader an exakt vier Stellen in Deutschland:

Aichstetten, Deutschland
Am Waizenhof 12
Aichstetten, 88317

Bad Rappenau, Deutschland
Buchäckerring 40
Bad Rappenau, 74906

Jettingen, Deutschland
Robert-Bosch Straße 10
Jettingen-Scheppach, 89343

Wilnsdorf, Deutschland
Elkersberg 2
Wilnsdorf, 57234

Wenn Ihr nicht wisst, wo das ist, macht nichts. Deutschlands Fläche beträgt 357.167,94 km², macht demnach knapp 90.000 km² für einen Supercharger. Outback in Deutschland sozusagen.

Die Batterie
Ok, zugegeben, niemand kauft sich ein Auto für 120.190 € und will rasen. Natürlich ist dieser Spaßwunsch den schnöden Rasern und giftschwarzen Umweltraubtieren vorbehalten. Ein Tesla-Fahrer kam bereits mit grünem Herzen zur Welt. Zudem sind Tesla-Kunden nicht nur vermögend, sondern auch intelligent und gebildet. Daher wissen sie, dass die Batterie eines Teslas aus siebentauseneinhundertundvier Lithium-Ionen Zellen zusammengesetzt wird, die in Stahlzylindern verpackt werden. Eine Kühlflüssigkeit sorgt für die Wärmeregulierung. Der ganze Spaß wiegt nach diversen, rätselratenden Ingenieuren um die 500 Kilogramm und womöglich mehr (die sich in Kommentaren wie etwa hier und dort tummeln).

Wikipedia

The 85 kWh battery pack contains 7104 lithium-ion battery cells in 16 modules wired in series (14 in the flat section with two additional modules stacked on the front). Each module contains six groups of 74 cells wired in parallel; the six groups are then wired in series within the module. The battery pack, as of June 2012, uses Panasonic cells with nickel-cobalt-aluminum cathodes.

Nun kann man sich fragen
– Muss ich einen Wagen fahren, dessen Akkukomplex um die 500 Kilogramm wiegt? Ist das grün genug?
Die sogenannte „Energiedichte“ von Benzin und Diesel ist ungleich höher denn von Batterien im Tesla-Typ S. FAZ:

In einem Liter Dieselkraftstoff steckt eine Energie von zehn Kilowattstunden. Heutige Lithium-Ionen-Akkus besitzen typischerweise eine Energiedichte von rund 100 bis 200 Wattstunden pro Kilogramm. Will man die Energiedichte steigern, hat man zwei Möglichkeiten: Man kann die elektrische Spannung in der einzelnen Batteriezelle erhöhen und die Kapazität vergrößern, also Elektroden bauen, die möglichst viele Lithium-Ionen aufnehmen können.

Anbei eine andere Übersicht, was die Sache mit den Batterien angeht
Energiedichte in Wh pro kg
Blei-Säure-Akku (2009) 35
Ni-MH-Akku (2009) 90
Li-Ionen-Akku (2009) 130
Li-Ionen-Akku (2015) 150
Li-Ionen-Akku (2020) 200
Benzin 12.800
Diesel 11.800
Wasserstoff 800
Methanol 6.370

Sprich, wir müssen extrem viel Rohstoff abbauen, verarbeiten und veredeln, um Energiespeicher zu zu haben, die mit herkömmlichen Energiespeichern auf Basis fossiler Brennstoffe weder von der Masse noch vom benötigten Raum nicht einmal ansatzweise mithalten können. Ich kann viele Forscher verstehen, die sich über den irrationalen Drang der Menschen wundern, auf energiearme Speicher zurückzugreifen und diese hochzujubeln.

– Wie sieht es denn mit der gesamten Umweltbilanz aus inklusive Recycling? Tesla hat zwar vollmundig angegeben, dass die Batterie entsorgt und größtenteils recycelt wird. Allerdings, wenn man Recycling hört, heißt das noch lange nicht, dass die Materialien wieder im Tesla als Akku landen. Zumal manche Materialien nach dem Recycling-Prozess so nicht mehr in der Güte vorhanden sind noch in der gleichen Zusammensetzung.
– Speziell der Abbau von Lithium wird aufgrund der Mobilisierung der Digitalbevölkerung rasant zunehmen und damit die Kapazitäten des Rohstoffabbaus erhöhen. Was das aber für Länder wie Bolivien bedeutet, kann man recht einfach googlen (auch als Tesla-Grünherz): Treffer 1, Treffer 2, Treffer 3, Treffer 4

Ans Umweltkreuz nageln
Hängt mich nicht umgekehrt auf. Ich verstehe um die Sorge fossiler Brennstoffe. Ich verstehe ebenso, dass wir begrenzte Ressourcen haben, egal aus welchem Material und unter welchen Recycling-Bedingungen auch immer. So einfach wie es dargestellt wird, gestaltet sich die Sache mit e-Autos nicht. Sie sind nicht die Heilsbringer. Benziner auch nicht. Wir haben schlichtweg keine Langfristantwort auf Mobilität unter dem Aspekt des Ressourcenverbrauchs gefunden, wie mir scheint, um den Rest der Welt mobil auszustatten. +500 Millionen Chinesen bei steigenden Durchschnittseinkommen, die sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein Auto leisten werden können. Hinzukommen eine weitere Menge X an Indern, Y Nigerianern, ebenso den Z Hispaniern im Süden der USA. Sprich, überall dort, wo Wirtschaft mit großen bzw. rasant steigenden Bevölkerungzahlen einhergeht, besteht selbstverständlich ein Recht auf Mobilität. Wie der abgedeckt werden soll, ist mir immer noch ein Rätsel. Und ich denke nicht einmal an Verkehrsaufkommen aka Staus. Sondern an die Ressourcen, Energiespeicher und den Energiebedarf.

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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