Autonomes Fahren ist eines der künftigen Highlights der Autoindustrie, an dem mehr oder minder alle Hersteller arbeiten. Wir stellen uns darunter vor, dass ein Fahrzeug völlig selbständig eine vorgegebene Wegstrecke ohne Einwirkung des Fahrers bewältigt. Zum einen wird es wohl noch einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, um diese Möglichkeiten vollumfänglich auf die Straße zu bringen. Zum anderen haben wir heute bereits einen technischen Zustand erreicht, der es erlaubt, vom autonomen Fahren in Teilbereichen zu sprechen. Die heutigen PKW Produkte warten schon in einigen Teilbereichen mit autonomen Systemen auf, die ohne direkte Einwirkung des Fahrers agieren können. Es wird jedoch in der Gesamtheit nicht als autonomes Fahren verstanden. Eher wird das Google Auto als ein solches wahrgenommen. Was aber auch daran liegt, wie die Hersteller ihre Systeme bewerben. Die Terminologie des autonomen Fahrens ist daher nicht ganz unwichtig bei der gesamten Betrachtung. Schauen wir uns daher zunächst die Abstufungen an.

Von teilautonomen bis voll autonomen Techniken

Unterscheiden wir die möglichen Szenarien autonomen Fahrens nach einer Definiton der zivilen US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit („National Highway Traffic Safety Administration„), die zum Verkehrsministerium der Vereinigten Staaten gehört. Dieser Defintion aus dem Jahr 2013 haben sich die Hersteller und deren Ingenieure mehrheitlich angeschlossen. Die Trennlinien dazwischen sind natürlich verschwommen und gehen fließend ineinander über:

  • No-Automation (Level 0): The driver is in complete and sole control of the primary vehicle controls – brake, steering, throttle, and motive power – at all times.
  • Function-specific Automation (Level 1): Automation at this level involves one or more specific control functions. Examples include electronic stability control or pre-charged brakes, where the vehicle automatically assists with braking to enable the driver to regain control of the vehicle or stop faster than possible by acting alone.
  • Combined Function Automation (Level 2): This level involves automation of at least two primary control functions designed to work in unison to relieve the driver of control of those functions. An example of combined functions enabling a Level 2 system is adaptive cruise control in combination with lane centering.
  • Limited Self-Driving Automation (Level 3): Vehicles at this level of automation enable the driver to cede full control of all safety-critical functions under certain traffic or environmental conditions and in those conditions to rely heavily on the vehicle to monitor for changes in those conditions requiring transition back to driver control. The driver is expected to be available for occasional control, but with sufficiently comfortable transition time. The Google car is an example of limited self-driving automation.
  • Full Self-Driving Automation (Level 4): The vehicle is designed to perform all safety-critical driving functions and monitor roadway conditions for an entire trip. Such a design anticipates that the driver will provide destination or navigation input, but is not expected to be available for control at any time during the trip. This includes both occupied and unoccupied vehicles.

Diese Unterscheidungsmerkmale dienen primär dem Gesetzgeber bei der Ausrichtung seiner regulativen Bemühungen, dem technischen Fortschritt nachzukommen. Sekundär erleichtert es den Autoherstellern, abgestuft vorzugehen, um schrittweise autonome Systeme zu erweitern und neue Funktionen auf den Markt zu bringen. Was niemand verwundern muss, da sich die Autoindustrie mit Staaten und Staatenbünden wie der EU abstimmen muss, welche Systeme denn nun im Straßenverkehr zulässig sind. Beispiel: Die Einführung eines Kameraspiegels anstelle eines herkömmlichen Außenspiegels bietet zwar einige Vorteile, ist jedoch laut Behörden untersagt. Nicht, weil die Behörden etwas dagegen haben, sondern schlichtweg die Zulassungsbestimmungen noch nicht auf dem neuesten Stand sind. Behalten wir die obige Definition als gedachte Leitplanke ruhig vor Augen, um den Status Quo aufzuzeigen.

Teilautonomens Fahren Level 2: Distronic Plus und Stop&Go Pilot

Level 0 bis Level 2 kann heute als erreicht bezeichnet werden. Schauen wir uns das anhand von konkreten Beispiel an. Hierzu eine mögliche Fahrsituatuion: Du fährst auf der Autobahn und möchtest nicht mehr aktiv eingreifen, um den langen Weg relativ stressfrei zu bewältigen? Früher konntest Du nur einen Tempomaten einschalten, eine bestimmte Geschwindigkeit vorgeben und musstest Dich um das Lenken und Bremsen kümmern. In einem topaktuellen Fahrzeug schaltest Du einen dynamischen Tempomaten ein, der nicht nur die Geschwindigkeit steuert, sondern über Sensoren verbunden beim Auffahren auf einen langsameren Vordermann selbständig abbremst. Blinker setzen, überholen und wieder einscheren. Das ist Deine Aufgabe. Wenn Du es ganz bequem haben möchtest, schaltest Du ein aktives Spurhaltesystem ein, das den Wagen automatisch mittig in der Spur hält. Lenken musst Du eigentlich nicht mehr, nur noch beim Verlassen der Spur. In Deutschland wird spätestens nach 15 Sekunden – nach einem gesetzlich festgelegten Zeitpunkt – ein manueller Lenkeingriff verlangt. Du musst lediglich ca. alle 14 Sekunden das Lenkrad um 1-2 Grad drehen, um dem System quasi vorzugaukeln, dass Du aktiv lenkst. Eigentlich werden diese Systeme nicht als aktive Fahrhilfe verstanden, mehr als passives Instrument. Sie können ohne Weiteres aber als autonome Fahrsysteme genutzt werden. In diesem Artikel beschreibe ich, wie das konkret aussieht: Das beste halbautomatische Lenksystem: Honda Accord.

Also, denken wir an Spurhalte- und Abstandssysteme oder auch an Notbremssysteme, wenn wir von Level 1 und Level 2 sprechen. Oder betrachten wir eine neue Mercedes E-Klasse, die einen Stauassistenten bietet, die noch deutlicher Level 2 repräsentiert (Stop & Go Pilot genannt). Über den Einsatz serienmäßiger Sensoren registriert das Fahrzeug den Vordermann, folgt ihm nicht nur im Stau bei gleichbleidender Geschwindigkeit bis hin zum komlpetten Stop und beim Wiederanfahren, sondern imitiert sogar Lenkbewegungen des Vordermanns, so dass die E-Klasse den Fahrzeugkörper an einer gedachten Linie zum Vorausfahrenden ausrichtet (fährt der Vordermann näher nach links zur Leitplanke, macht die E-Klasse das gleiche). Alles was der Fahrer noch tun muss? Beim Wiederanfahren kurz das Gaspedal betätigen („fahr wieder an, Auto„), alles Weitere übernimmt das System bis 60 KM/h und einem erneuten Halt (nach sehr kurzen Zwischenstopps von 2-3 Sekunden muss der Fahrer nicht einmal mehr mit einem Gaspedalwunsch das Wiederanfahren bestätigen).

So kommt Ihr kilometerlang nahezu ohne Eingriff aus. Was ist aber, wenn der Vordermann die Spur wechselt? Macht nichts, die E-Klasse schnappt sich den nächsten Vordermann und fährt nicht etwa dem Spurwechsler nach. Derartige Stausysteme bieten natürlich auch Hersteller wie Audi oder BMW an. Es handelt sich hierbei um noch recht junge Technologien, die um 2013 auf den Markt kamen. Manche benutzen dieses System übrigens sogar in der Stadt bei zähem Verkehrsfluss. Hierzu ein PR-Video von Mercedes zu dem o.g. System:

Fahrer denkt, Computer lenkt

Betrachten wir eine andere Art von System, die direkten Einfluss auf das Fahrverhalten des Fahrzeugs nimmt. Und verdeutlichen damit, dass moderne PKWs eigentlich vom Computer denn vom Fahrer gesteuert werden, wenn man so will. Zitat:

Audi drive select integriert jene Technik-Komponenten, die das Fahrerlebnis bestimmen – Motor, Getriebe, Lenkung, Dämpfung und das Sportdifferenzial. Dabei kann der Fahrer die Charakteristik dieser Systeme jederzeit neu an seine persönlichen Vorlieben anpassen. Mit dem innovativen Fahrdynamiksystem Audi drive select kann der Fahrer die Charakteristik der Technikkomponenten, je nach individueller Fahrzeugkonfiguration, – Motor Getriebe, Lenkung, Dämpfung und das Sportdifferenzial – jederzeit neu an seine persönlichen Vorlieben anpassen. Über einen Taster an der Mittelkonsole kann der Fahrer die Arbeitsweise von Audi drive select in den drei Modi comfort, auto und dynamic von ausgeprägt komfortabel bis betont sportlich anwählen. In Verbindung mit dem optionalen MMI besteht zudem die Möglichkeit, ein ganz individuelles Profil zusammenzustellen. Dabei kann der Fahrer die Charakteristik der teilnehmenden Systeme individuell auf seinen Wunsch einstellen.

Hierzu ein Video mit einem Audi-Mann (english)

Die Freiheit des Fahrens versus Kontrolle der Maschine

Wir sind schon lange nicht mehr der Fahrer, der mit der Maschinerie direkt verbunden ist. Alle Fahrwünsche werden in modernen Fahrzeugen von Computern analysiert und umgesetzt. Die Autoindustrie meidet diese Interpretation, um Haltern nicht den Eindruck zu vermitteln, nicht mehr Herr des Fahrzeugs im althergebrachten Sinne zu sein. Was normalerweise in Gefahrensituationen begrüßt wird (wenn das ESP und ABS eingreifen, um das Fahrzeug zu stabilisieren), erweckt gesamtheitlich den Eindruck, fahrerische Freiheiten und Genuss zu beschneiden. Selbstvertsändlich möchte die Industrie diesen Interpretationsfreiraum des Kunden nicht eingrenzen. Zumal die Systeme tatsächlich außer in Gefahrensituationen oder im Falle aktivierter Tempomatsysteme nahezu kaum spürbar agieren und eingreifen. Alles Können und nichts Müssen ist das Motto. Schaut man sich die Vielzahl der Systeme an, bedeutet es nichts anderes, schon längst im autonomen Fahrzeug-Zeitalter der Mobilität angekommen zu sein. Auch wenn wir die maximal denkbaren Szenarien noch nicht erreicht haben.

Wann wird Level 3 erreicht? Erst Autobahn, dann Landstraße, dann Stadt

Dieser sog. Level 3 wird sehr zeitnah auf Autobahnstrecken realisiert werden. Zahlreiche Hersteller versprechen uns, dass sie Fahrzeuge bis spätestens 2020 herausbringen wollen, die auf Autobahnen komplett eigenständig fahren können. Das inkludiert nicht nur das bereits heute mögliche Fahren nach Tempomat, automatisches Halten des Abstands und die Aktivierung von Staufahrsystemen in niedrigen Geschwindigkeitsbereichen, sondern dann auch das automatische Spurwechseln, das Beachten von Tempolimits aber auch automatisiertes Ausweichen bei Notbremsmanövern. Diese letztgenannten drei Aspekte sind technisch machbar, ausgetestet und realisiert. Allerdings nicht außerhalb von Testfahrzeugen. Wie wir oben gelernt haben, müssen hierzu auch gesetzliche Grundlagen geschaffen werden (selbstverständlich arbeiten die Versicherungen daran mit, um Haftungsfragen abzudecken).

Bedingung ist und bleibt, dass der Fahrer die Situation jederzeit umfänglich so erfasst, um im Falle des Falles die Kontrolle zu übernehmen. Wer demnach heute mit Distanzkontrolle fährt und aufs Handy schaut, ist selbst schuld, wenn es zu einem Crash kommt bzw. Punkte in Flensburg fällig werden. Zusammengefasst: Zahlreiche Hersteller haben einen anspruchsovllen Zeitplan ins Auge gefasst, in weniger als 5 Jahren diese Art von Autobahnfahrten anbieten zu können. So anspruchsvoll ist das allerdings auch nicht mehr, da sämtliche Grundlagen ohne Science-Ficiton Systeme heute installierbar und bezahlbar sind.

Kopfzerbrechen bereitet den Herstellern die Situation auf Landstraßen und im Stadtverkehr. Sie spechen davon, dass sich die Komplexität der Systeme drastisch erhöht und man hier keine klare Zeitprojektion aufstellen möchte. Beispielhaft eine schematische Darstellung aus dem Hause Daimler, welche Meta-Faktoren eine Rolle spielen:
Mercedes Benz Research Development North America

Wir schauen uns gleich an, wo die technischen Herausforderungen liegen. Zunächst aber an dieser Stelle ein kurzer, rechtlicher Ausflug, denn auch hier benötigt man Konkretisierungen, die unter juristischen Gesichtspunkten autonomes Fahren, rechtliche Risiken und Haftungsfragen regulieren. Aufgrund des technischen Fortschritts müssen alle Länder nachjustieren.

Staatliche Regularien und Versicherungsfragen: In Zukunft keine Haftpflicht für den Fahrer?

Diese sequentielle Haltung – erst Autobahn, dann Landstraße und Stadt – spiegelt sich auch in den rechtlichen Folgeschritten wider, die Länder wie die USA bereits eingeleitet haben. Wer sich für das Rechtliche genauer interessiert, dem empfehle ich folgende Quellen:

How an autonomous driving bill becomes law in Nevada, vorgetragen von Marilyn Dondero Loop (Vorsitzende Assembly Transportation Committee), Bruce Breslow (Director, Nevada Department of Motor Vehicles), Troy Dillard (Deputy Director, Nevada Department of Motor Vehicles) und David Estrada (Legal Director, Google). So kann man gut ableiten, was die Behörden und damit den Staat bewegt, eine technische Zukunft nicht verbauen zu wollen. Andererseits für die relevanten Sicherheitsnormen zu sorgen.

– White Paper „Automated vehicles are probably legal in the USA“ von Bryant Walker Smith („is a fellow at the Center for Internet and Society at Stanford Law School, a fellow at the Center for Automotive Research at Stanford (CARS), and a lecturer in law at Stanford Law School who writes, speaks, and teaches on the legal and policy aspects of automation and connectivity)

– Übersicht der US-Staaten mit entsprechenden rechtlichen Regelungen und Stati: Automated Driving: Legislative and Regulatory Action

– aus der US-Denkfabrik Brookings eine haftungsorientierte Betrachtung: „Products Liability and Driverless Cars: Issues and Guiding Principles for Legislation
As driverless cars—or more formally, autonomous vehicles—continue to attract growing interest and investment, the associated liability issues are also getting increased attention. Often, this attention comes in the form of suggestions that liability concerns will slow or even completely prevent consumer access to advanced autonomous vehicle technology
schreibt John Villasenor (a nonresident senior fellow in Governance Studies and the Center for Technology Innovation at Brookings. He is also a professor of electrical engineering and public policy at UCLA, Vice Chair of the World Economic Forum’s Global Agenda Council on the Intellectual Property System, and a member of the Council on Foreign Relations. His work addresses the intersection of technology, policy and law.)

– aus dem Versicherungshaus Lloyds
Autonomous Vehicles – Handing over control / Autonomous Vehicles: Handing over Control: Risks and Opportunities in Insurance This report looks at two major categories of autonomous and unmanned vehicles: autonomous cars and unmanned aerial systems (UAS). It examines the role of insurance in the development and adoption of this new techonology and highlights the opportunities and risks autonomous cars and unmanned aerial systems can offer.

Die Konklusio von Llyods lautet wie folgt

As vehicles become increasingly computerised and networked, cyber risk is likely to be a more prominent concern. In the case of remotely operated vehicles, there would need to be adequate back-up plans in case of a loss of communications with the controller. With the increase of cyber risk, there will be scope for writing more cyber insurance. Another aspect of increased computerisation, especially in the case of cars, is that insurers can take advantage of data facilities already present in the vehicle to use a more telematics based approach to premium pricing. This could allow better matching of exposure to premiums, and more individually tailored policies…

At a very advanced point of autonomous car development and take-up in the future, it could be possible that drivers are no longer legally required to attentively supervise a car’s driving, and can instead do things like read a book or sleep. If such a point were reached in the future, it may be possible that there is more onus of liability on the car manufacturer rather than owner, if the car is being trusted to entirely conduct a journey. This would likely, however, not be a consideration until much further into the future

Die Herausforderungen bis Level 4: Sensoren, Karten, soziale Signale, vernetztes Fahren

Autonomes Fahren bedeutet, dass die Sensoren mit hoher Zuverlässigkeit die Umgebung erfassen können, um aus der Analyse der Umgebungsdaten die korrekten Steuerungsbefehle zu erzeugen. Hier hapert es jedoch noch an diversen Ecken und Enden. Ein Dauerbrenner werden verschmutztende Sensoren sein. Wenn heute die Sensoren bei Schneewetter verschmutzen, bekommt man eben die Meldung, dass man Distronic Plus im Benz nicht nutzen kann. Jo mei. Aber bei voller Fahrt im autonomen Status und der Fahrer liest ein Buch? Da kann ein Sensor nicht einfach so ausfallen und der Fahr-Roboter kurzerhand aussteigen, da ein Buch lesender Fahrer nachweislich laut Feldversuchen rund 5 Sekunden braucht, bis er die Situation erfasst. Außerdem, wenn uns die Hersteller autonome Systeme verkaufen, können sie uns nicht mit 100 Ausnahmen und Probleme daherkommen. Dafür sind die eingepreisten Zusatzkosten zu hoch, um den Kunden mit Unzuverlässigkeit zu bestrafen. Man probiert mit diversen Reinigungsanordnungen zu arbeiten, darunter fallen auch Wärmelösungen bei Kälte und anderen Ideen. Bisher war aber kein System so gut, um es als zuverlässig zu bezeichnen. Das muss auch nicht verwundern, wenn man bedenkt, wo überall die Sensoren verbaut wurden. Hinter Stoßstangen, am Kühlergrill, hinter der Windschutzscheibe, im Außenspiegel, über dem Kennzeichen. Allesamt exponierte Stellen, die natürlich Verschmutzungseffekten ausgesetzt sind. Das Gesamtproblem widerspricht dem Ansatz, autonomes Fahren zu ermöglichen, nur weil wortwörtlich ein Fliegenschiss zwischen Robo-Mobilität und Selbstfahren unüberbrückbare Hürden verursacht.

Es geht natürlich nicht nur um verschmutzte Sensoren. Es geht auch um die Erfassungsqualitäten als solches. Beispiel? So berichten diverse Autohersteller davon, dass sie Probleme haben, Ampelsignale korrekt zu erkennen. Diese Problematik tritt naturgemäß in Städten auf, wo die Lage der Ampeln aber auch die Unzahl an Lichtquellen eine Erkennung tatsächlich sehr schwer gestaltet. Und wir können uns nicht drauf verlassen, dass es zu 99,9% klappt. Was bedeuten würde, beim 1.000sten Erkennungsvorgang eine rote Ampel mit fatalen Folgen zu überfahren. Wir glauben, dass 99,9% ein super Wert ist. Das reicht hier nicht aus. Aber wer kann sich schon rühmen, ein System mit extremst hoher Ausfallsicherheit nahe an 100% anzubieten? So oder so, es muss gelöst werden. Ein – hier eben optisches – System alleine reicht also nicht aus.

Daher sind die Hersteller generell bestrebt, sensorische Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzufassen, um auch ein Mehr an Sicherheit im gleichen Maße wie ein Plus an Erkennunsgqualtiät zu gewinnen. Sollte ein Sensor keine hinreichenden Daten liefern, können andere Systeme immer noch genügend Daten liefern. Wie man sich das am Beispiel der Ampel vorstellen muss? Die Position der Signalanlagen wird auf einer eigenen Traffic-Karte erfasst und mit der momentan Lage des Fahrzeugs abgeglichen. Das erfolgt zum einen über GPS-Systeme, die jedoch eine hohe Abweichung von bis zu 10 Metern aufweisen und damit nur eine grobe Verortung erlauben. Darüber hinaus benötigt man Straßenkarten, die weitaus genauer bis auf wenige Zentimeter Straßenverläufe datentechnisch präzise nachbilden und auch immer wieder aufzufrischen sind. Herkömmliche Navigationskarten wie wir sie heute benutzen reichen dazu schlichtweg nicht aus. Was kein kostengünstiges Vergnügen ist, dieses hochpräzise Kartenmaterial zu erzeugen und intelligentere Lösungen für topaktuelle Kartenupdates erfordert. Hersteller denken darüber nach, die Fahrzeuge zu vernetzen und erkannte Abweichungen vom Kartenmaterial zentral weiterzumelden, um damit allen Verkehrsteilnehmern (zumindest vom gleichen Hersteller) aktuelles Kartenmaterial zur Verfügung zu stellen. Wie dieser Austausch jedoch konkret aussehen soll – ob alle Hersteller einen gemeinsamen Standard haben, wie Abweichungen gemeldet werden, wer die Kosten für den zentralen, aber unabdingbaren Updatservice übernimmt- ist noch völlig unklar. Im Moment steht fest, dass hochpräzise Karten für autonomes Fahren ein Must-Have sind. Dies gilt für sämtliche Straßen, nicht nur in der Stadt.

Solange dieses Problem nicht gelöst ist, wird es aller Voraussicht nach keine skalierbare Lösungen geben, um autonome Fahrzeuge aus dem Prototypen-Status in den Massenmarkt zu hieven. Hinzukommt übrigens auch noch kartenbasierendes Bildmaterial, um mittels eigenen Kameras Objekte in der Realumgebung mit den Kartenobjekten abzugleichen, was sowohl die Verortung erleichtert bzw. präzisiert aber auch kontetxbezogene Informationen liefert (Parkhaus, Tankstelle, Werkstatt…).

Hierzu einige Fotos, die Daimlers Überlegungen und Ansätze aufzeigen, aber auch die Herausforderungen verdeutlichen (zum Vergrößern anklicken):
Mercedes Benz Research Development North America
Mercedes Benz Research Development North America
Mercedes Benz Research Development North America
Mercedes Benz Research Development North America
Mercedes Benz Research Development North America

Anbei ein Video von Mercedes, das die bisherige Armada an Sensoren erläutert, die benutzt werden

Verstanden soweit? Das folgende Schaubild zeigt grob auf, wie man versucht, unterschiedliche Sensoren zu überlagern, um über unterschiedliche Reichweiten und Techniken ein sensorisch relevantes Gesamtbild zu erhalten. Hierbei kommen Radare in unterschiedlichen Frequenzen zum Tragen, optische Erkennungssysteme (3-D Kameras, Weitwinkel, Objekterkennung, Objektvergleich, Spurenerkennung, Verkehrszeichen, Ampeln), Ultraschall (Parksysteme), Infrarot (Wärmebild für Nachtfahrten und Wildwechsel) und Laser. Der Begriff der Sensor-Fusion ist durchaus zutreffend.
Mercedes V-Class

Soziale Signale und kooperatives Verhalten

sind ein weiteres, extrem wichtiges Aufgabengebiet: Wo ein Winken reicht, versagt der Computer. Wir Menschen helfen uns mit Gesten im Straßenverkehr (zugegeben: hin und wieder als Unmutsbezeugung). Der Computer wird am Zebrastreifen stehen und die Omi durchlassen. Da kann sie noch so lange winken, um das Gegenteil zu bezwecken, um nämlich das Fahrzeug durchzulassen. Sie weiß, dass sie etwas länger braucht. Und wird dann auch noch sauer, weil der Fahrer anscheinend zu doof ist, ihr Entgegenkommen zu verstehen. Tja! Das ist nur ein kleines Beispiel für Kooperationsevrhalten und Social Signals aus abertausenden von Möglichkeiten. Das erleichtert uns Menschen die Koordination, den Computern gibt es eine echte Kopfnuss auf. Wird es eine länderspezifische Einstellung geben, die Fahrzeugsysteme für Lokationen wie Rom, Paris, Athen, Moskau, Jacksonville, Buxtehude und Hintertupfingen justiert? Das Verkehrsverhalten aller Beteiligten unterscheidet sich von Land zu Land enorm. Niemand möchte in einem teuren Premiumfahrzeug sitzen und ausgelacht werden, weil das autonome System komplett aus dem Rahmen fällt und damit quasi asozial („außerhalb der etablierten Norm“) fährt.

Brute Force versus Intelligenz: Fortschritt in kleinen Schritten und begrenzten Szenarien

Ich denke, wir konnten recht gut ein Gefühl dafür gewinnen, vor welchen Herausforderungen die Hersteller stehen, um das komplett vollautonome Fahren zu ermöglichen. Ein erkennbares Grundproblem bzw. Grundmuster ist dem Mangel echter Intelligenz bzw. geringen Abstraktionsfähigkeiten geschuldet, das heutige Computersysteme auszeichnet. Sie müssen, um ein hinreichendes Bild von der Umgebung zu erhalten, eine Unmenge von Daten verarbeiten. Und es reicht momentan dennoch nicht aus, um zuverlässig Hindernisse und unerwarterte Situationen zu erkennen. Heißt? Computersysteme ersetzen die Abstraktionsfähigkeiten unseres menschlichen Hirns mit einer schieren Masse von Verarbeitungsdaten, wo wir exzellent mit Fragmenten auskommen. Je mehr Daten der Computer bekommt umso besser. Wir Menschen benötigen keine ultrapräzisen Kartendaten, um uns gemütlich und stressfrei durch eine Stadt zu bewegen. Wir kommen dabei mit 30 Watt aus, die unser Hirn an Leistung verbraucht. Ein Fahrzeug ist ohne Kartendaten und ohne Millionen von Bytes an sensorischen Signaldaten weitestgehend aufgeschmissen. Und mit 30 Watt kannst Du nicht einmal einen Sensor befeuern, geschweige denn die Daten verarbeiten. Auch den Herstellern wären robuste, kostengünstige Systeme lieber, die ohne viel Daten-tamtam auskommen, ohne 50 Zusatzprozessoren, ohne Millionen Zeilen an Programmcode. Solange man sich aber mit bescheidener Computer-Intelligenz begnügen muss, werden die Fortschritte keine großen Sprünge machen.

Ausblick: Umkehrung der Fahrerfahrung, Fahren ohne Führerschein, Cyber-Risiken

Was sind also die nächsten Innovationen im Bereich Autonomes Fahren? Kleine Schritte, wie gesagt. Ihr werdet schon nächstes oder übernächstes Jahr Fahrzeuge ein- und ausparken können, ohne im Fahrzeug zu sitzen.

Ob das lahm ist? Ich finde das extrem nützlich und cool. Aber dann eben was richtig Cooles? Demnächst wird es auch automatische Bremssysteme geben, die nicht nur bremsen, sondern sogar ausweichen können. Das dürfte cool sein. Neuartige Parkysteme werden Euch erlauben, in einem größeren Umfeld den nächsten Parkplatz zu erkennen und anzusteuern. Autonom. Car-to-Car Systeme melden Euch in der Umgebung kritische Situationen (Geisterfahrer, Glatteis, Stauende, gefährlich liegengebliebene Fahrzeuge…). Btw, das hat Daimler bereits Ende 2013 in US-Fahrzeugen eingeführt.

Wie Ihr seht, man baut Stück für Stück die Nutzungsmöglichkeiten aus. Um nicht auf den großen Knall zu warten, sondern um mit Hilfe dieser neuen Technologien jetzt schon Funktionen und Features anzubieten. Das finde ich persönlich spannender, als auf ein ominöses Datum X zu warten, das noch in weiter Ferne liegt. Für die Hersteller ist die Salamitaktik durchaus von Vorteil. So können sie ihre Kunden langsam an die neuen, automatisierten Autowelten gewöhnen, vermeiden hierbei allzu große Umbrüche wie PKWs interpretiert werden (einfach nur eine Fortbewegungsmaschine oder Ausdruck von weitaus mehr denn die bloße Kernfunktion?). Bedenkt zudem die Markenwerte, die mit zahlreichen Fahrzeugmodellen einhergehen. Was nicht nur für den Kunden und seine Zahlungsbereitschaft wichtig ist, sondern auch eine Frage an den Hersteller selbst ist. Wie fährt denn ein autonomer BMW? Bleibt ein Robo-Golf immer noch ein Golf? Wird ein Mercedes ein Robo-Benz sein und erst später als Mensch-Benz erfahren, wenn der Fahrer ohne Faherlaubnis einen Benz ersteht (sozusagen eine völlig umgedrehte Fahrerfahrung: Erst Automatisiert dann Manuell)?

Außerdem finde ich das recht langsame Tempo nicht einmal so übel, denn mit all den Vorteilen – die ich an der Stelle nicht aufgezählt habe – gehen auch Nachteile einher. Wer sagt denn, dass autonome Systeme von außen einbruchsicher und störfrei sind? Eins ist klar: Das vernetzte Fahren wird ein entscheidendes Merkmal des autonomen Fahrens werden. Was das bedeutet? Nicht nur eine Vielzahl an neuen Services, sondern auch Kunden, denen Facebook und NSA bisher egal war, wenn man ihre Daten ausspähte. Empfindlich werden sie auf einmal dann, wenn es um sie persönlich im Auto geht. Wie sie fahren, zu schnell für die Polizei oder zu riskant für die Kranken- und KFZ Haftpflichtversicherung? Dann gehts ums Geld. Es kann aber auch gut sein, dass es andere Verkehrsteilnehmer stört, die Autos als fahrende Ausspähdrohnen betrachten, die alles in ihrer Umgebung erfassen und verarbeiten. Denn dies wird ebenso mit dem Einzug der autonomen Systeme einhergehen: Ein komplettes, sensorisches Bild der realen Welt. Erfasst, gespeichert, verarbeitet. Google Fahrzeuge, die für Google Streetview Bilder erfasst hatten, waren ein laues Lüftchen dagegen.

Long Run: Baby, die Risiken fangen dann erst wirklich an, wer wird Weltmeister im Anpassen

Komplett unbemannte Fahrzeuge? Da tun sich völlig neue Verkehrskonzepte auf. Sowohl im Transportwesen aber auch im PKW- und Personenbeförderungsbereich. Parkplatzfragen, Verkehrsregelungen, Fahrzeugtypen werden komplett neu definiert werden. Was das alles bedeutet kann, werde ich in einem anderen Artikel projizieren. Hier sprechen wir tatsächlich von einer ungeahnten Revolution im Straßenverkehr. Mit dramatischen Bedeutungen für die Autoindustrie.

Abschließend drei oder vier Anschauempfehlungen, die wirklich spannend sind:
Spiegel TV über ein Versuchsfahrzeug der Uni Berlin

Und BMWs Versuche, autonome Fahrzeuge auf die Straße zu bekommen:

Audis CES 2013 Show, ein Fahrzeug komplett selbständig einen Parkplatz suchen zu lassen, während man schon beim Einkaufen ist:

Lassen wir Mercedes zum Abschluss zeigen, was heute machbar ist, Stadt, Land, Autobahn:

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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2 Comments

  • […] – Mobile Devices Ja, ja, das vernetzte, selbst fahrende, voll vernetzte Auto. Anbieter wie Uber, Zipcar, Google, wer weiß, eines Tages auch Apple werden eher vier Räder einem hypermoderne Computer dranmontieren und die User denn Fahrer eher zu begeistern wissen, als eine 125 Jahre alter Autobutze um vier Räder herum einen rollenden Computer verbauen kann. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Wird eines Tages das moderne Auto wirklich ein fahrender Roboter sein? Das ist ein Thema, was zur Zeit heiß gekocht wird, aber ein reality check zeigt auf, dass alle nur mit Wasser und Salz kochen können: Autonomes Fahren: Zwischenstand und Ausblick. […]

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