Nachdem ich nun einige tausend bis mehrere zehntausend Fahrkilometer mit modernsten Fahrzeugen auf dem Buckel habe, verdichtet sich ein Gesamteindruck. So schön Assistenzsysteme auch sind, so haben sie immer noch Macken, die von okay bis unschön ausfallen können.

IAA 2013

1. Den Vogel schoss vor einigen Jahren das automatische Distanzsystem des Honda Accord auf der Autobahn ab: Mit Hilfe dieses Systems kann der Fahrer ein maximales Tempo einstellen und der Wagen hält dann bis zur voreingestellten Maximalgeschwindigkeit Abstand zum Vordermann. Beispiel: Ich stelle 160 KM/h ein, fahre auf einen LKW auf, mein Wagen bremst im Voraus mehrere 100 Meter automatisch ohne manuellen Eingriff bis auf 80 KM/h herab und hält einen Sicherheitsabstand. Ich wechsle die Spur und der Wagen beschleunigt selbständig wieder auf 160. Bis ich erneut auf einen langsameren Vordermann auffahre. Funktioniert an sich super und trägt extrem zum enstpannten Fahren bei.

Aber? In einer langgezogenen Linkskurve fuhr ich auf der äußeren Spur links mit ca. 180 vor mich dahin. Bis das System auf einmal recht ruckartig in die Eisen stieg. Nein, keine Vollbremsung, aber immer noch markant genug. Was war passiert? Es ordnete einen rechts außen fahrenden LKW als ein Fahrzeug ein, das sich angeblich auf meiner Spur befand. Das wiederholte sich noch einige Male auf einer längeren 1.600 KM Teststrecke. Resultat: Ich blieb stets über dem Gaspedal, um das System sofort zu überstimmen, was in der Praxis ohne Probleme funktionierte. Wenn man den Fehler intus hatte. Man darf eben nie das System außer Acht lassen.

2. Weitere Macken der dynamischen Tempomaten: Abstand zum Nebenmann. Das oben beschriebene Verhalten tritt in allen frischen Fahrzeugen mit derartigen Systemen so nicht mehr auf. Es kann aber immer noch auftreten, wenn das Toleranzmaß des Computers zuschlägt. Sobald man ein langsameres Fahrzeug überholt und dessen Fahrer aus unbestimmten Gründen deiner Spur etwas zu nahe kommt (eine alltägliche Situation), ohne seine Fahrspur deutlich zu verlassen, geht das Biepen und Bremsen los. Obgleich man in 99% aller Fälle leicht nach links fährt, ohne zu bremsen. Die Maschine hält es anders: Kaum zuckt der Nebenmann zu sehr, reagiert die Maschine wie ich finde unnötig oft. Auch hier gilt: Das System geht nicht voll in die Eisen und man hat Zeit genug, mittels Gasfuß das Sys zu überstimmen. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl, da das eigene Toleranzmaß mit dem Computersystem nicht übereinstimmt. Wer mag und kann, teste Dein aktivitiertes Distanzsystem mal in Baustellenzonen auf der Autobahn. Hier schlägt das System deutlich häufiger zu, da die Breite der Fahrbahn stark minimiert ist. Besonders bei breiteren LKW-Anhängern. Manuell kommt man locker durch, das System aber legt die Ohren an. Obacht: 100% Aufmerksamkeit, immer auf dem Gaspedal bleiben, um sofort zu reagieren. Zeit genug bleibt. Und achtet drauf, dass keiner hinter Euch fährt.

3. Aktive und passive Fahrspursysteme komplettieren die automatischen Abstandssysteme im Grunde genommen prima. Um entweder vor einem unbeabsichtigen Verlassen der Fahrspur zu warnen (passiv) oder lenkend einzugreifen (aktiv). An sich ein ein tolles System, mit dem beispielsweise die Mercedes E-Klasse aufwartet. Verlässt man die Spur auf der Landstraße, warnt das System lediglich (jeder Hersteller macht das recht individuell mittels Warntönen, Gurtstraffern, LED Leuchten, Lenkrad- und Sitzvibrationen). Ist aber Gegenverkehr in Sicht, bremst das System das Fahrzeug linksseitig sanft so ein, bis der Benz wieder auf Spur kommt. Ein klarer Vorteil und erspart einem heftige Unfälle. Auch hier erwarten uns Macken: Manche Hersteller wie VW versprechen einem aktive Spurhaltesysteme, dabei handelt es sich jedoch um Eiertänze. Der Wagen trudelt ping-pong artig von der linken zur rechten Spurbegrenzung und hält nicht etwa schön sauber per se die Mitte ein. Das ist kein Bug, sondern systemseitig so vorgesehen. Es gibt aber auch Hersteller wie Honda, die den Wagen tatsächlich mittig halten. Andere Hersteller nerven mit steten Lenkeingriffen, so dass man immer dagegensteuern muss, um die Ideallinie zu befahren, weil Mensch und Maschine unterschiedliche Ideallinien interpretieren. Was sich auch manchmal daraus erklärt, dass das System schlichtweg die Spurführung verwechselt, wenn man das so sagen kann. Der Wagen will warum auch immer ausscheren und einer ganz anderen Spur folgen. Was in der Praxis kein ernsthaftes Problem darstellt, da die Lenkeingriffe sehr zart ausfallen und es an Plötzlichkeit positiverweise fehlen läßt. Sprich, aktive Lenksysteme sind nicht immer so aktiv und zuverlässig, wie man das mit dem Begriff verspricht.

4. Verschmutzte Sensoren: Ein weiteres Grundübel sind schlichtweg verdreckte Sensoren. Aber hier haben alle Hersteller ihre Hausaufgaben meines Wissens gemacht. Sobald ein Sensor nicht mehr funktioniert, erscheint eine Warnmeldung besonders bei aktiven aber auch passiven Systemen (Spurhalten, Abstand, Notbremsung). Und, man kann das System auch nicht mehr aktivieren, solange der Fahrer den Sensor nicht reinigt (Wasser…). Wann diese Situation auftritt: Weniger bei Regen, vielmehr bei Winterverhältnissen mit dem ganzen Schneematsch. Und dies tritt dann häufiger denn seltener auf. Natürlich kann man sich darüber beklagen, dass diese Systeme mehrere tausend Euro kosten können. Warum tun die Hersteller nichts dagegen? Sie tun wirklich etwas, aber es gibt schlichtweg keine Lösungen. Sprich, man kann noch vom Entwicklungsstadium sprechen. Was mir bisher auf keinen Fall passiert war und auch nie hätte passieren dürfen: Es kam weder zu einem abrupten Bremsmanöver noch dergleichen Unsinn. Gut so! Hier haben die Ings gute arbeit geleistet.

5. Biep it Baby: Abstandswarner. Es war einmal im Golf 7 in Paris, mitten im dichten Stadtverkehr. Die Parksensoren schlugen komplett an. Ausschalten. Anfahren. Und wieder Biep beim nächsten Stop. Das nervte brutal. Ebenso in einem Opel Mokka. Der eine Auffwahrwarnung besitzt und bei zu nahem Auffahren im fließenden Verkehr mittels LED und Sound warnt. Das System ist derartig übervorsichtig, dass es tatsächlich nervt, weil es ständig meckert. Es verfügt über keine Individualeinstellung, leider. Und es gibt meines Wissens auch keinen Aus-Knopf für den Mist. Das haben andere Hersteller wie Audi oder Daimler wesentlich besser gelöst: Ein stiller LED-Alarm signalisiert mittels einem beleuchteten Dauersymbol „halte mehr Abstand„. Fährt man tatsächlich mit zuviel Tempo auf, wird ein größeres Alarmsymbol eingeblendet. Reagiert der Fahrer nicht, ertönt ein recht angenehmens Alarmsignal, das Symbol wird vergrößert, der Gurt wird gestrafft. Immer noch keine Reaktion? Je nach System und Tempoüberschuss werden die Bremsen aktiviert, entweder zu x% oder aber bis hin zur Vollbremsung (dabei wird zudem die Warnblinkanlage aktiviert, damit der Hintermann genug Zeit hat, selbst zu reagieren). Diese Kaskade erfolgt in einem sehr kurzen Zeitintervall, jedoch zeitig genug, um als Fahrer im Grunde bereits nach der ersten Warnung zu reagieren. Aus Gesprächen mit diversen Herstellern ist mir bekannt, dass sich damit die Auffahrunfälle vorne und hinten markant verringert haben sollen. Die Sprache ist von +30%. Besonders bei Systemen mit Notbremsautomatik.

Fazit?
Das war nur eine kleine Auswahl an Beispielen, wo und wann die Systeme entweder komisch werden oder gar unaufmerksame Fahrer in unnötige Not bringen. Ist also die Anschaffung derartiger Systeme grundsätzlich abzulehnen? Ach, Quatsch! Generell funktionieren die Systeme ganzheitlich und helfen dem Fahrer, keinen Mist zu bauen, entspannen zudem tatsächlich. Die Vorteile wiegen eindeutig die Nachteile auf. Solange man sich eben nie 100% auf die Systeme verlässt und das Auto mit aktiven Einstellungen fahren lässt. Hier gilt im Übrigen das Gleiche wie in anderen Lebenslagen: Langsam herantasten, kurz testen, checken, länger testen, checken, aufpassen und lernen. So kommt man auch nicht in Dauerstress, weil man dem System nicht mehr vertraut. Alle Systeme haben nun einmal ihre Grenzen, Toleranzen und auch Fehler. Ich selbst schätze die Kombination aus Mensch und Maschine sehr, möchte keines der Fahrsysteme mehr missen, von Verkehrszeichenerkennung bis hin zur Distanzkontrolle.

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

Facebook Twitter LinkedIn Google+ Flickr YouTube 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.