Wer sich als Slogan „Das Beste oder Nichts“ aussucht, wird entsprechend beurteilt. Hier fällt mein Urteil bei der Facebook App, die im Daimler-System namens „Comand Online“ integriert wurde, auf „Nix“ aus. Und zwar deftig Nix!

Das Web im Auto

Kurz vorneweg: Das „Comand Online“-System von Daimler bietet eine Schnittstelle ins Internet, nebst Navi, Radio und dergleichen. Eine Schnittstelle ins Internet? Was soll das denn heißen? Als Internet-Funktionen stehen die lokale Google-Suche, Wetterinfos, ein Browser und die besagte Facebook-App zur Verfügung.

Das ist demnach „das Internet“ in einem PKW von Mercedes und die Antwort von Daimler auf zunehmende Wünsche der Kunden „always online“ sein zu wollen. Nicht von allen Kunden, aber bekanntlich macht das Internet vor nichts und niemand Halt.

Und lange Jahre waren die Autos schwarze Löcher im Internetzeitalter. Nichts kam rein, nichts ging heraus. Die Zeiten ändern sich auch hier langsam. Mehr noch, sämtliche Fahrzeughersteller gehen auch und wegen dem Wettbewerb verstärkt dazu über, das Auto mit dem Netz zu verbinden. Es sind eine Reihe von Neuerungen zu erwarten, wir stehen demnach erst am Anfang. Und bekanntlich ist aller Anfang schwer. Besonders für Maschinenbauer, die irgendwas mit dem Netz machen sollen. Weil es die Bosse so wollen.

Der Testwagen

Ich habe mir eigens einen Testwagen von Daimler mit einem derartigen System freundlicherweise zur Verfügung stellen lassen. Es handelt sich beim Testmodell um einen Mercedes C-Kombi, 250 CDI. Zum Wagen selbst brauche ich nicht viel zu sagen: Erste Sahne! Sämtliche Mitinsassen haben sich bisher sehr positiv geäußert. Inklusive meiner Kinder, die den Wagen ganz dolle fanden. Ich im Übrigen ebenso. Reinsetzen, losfahren, wohlfühlen, Punkt. Hier stimmt der Stern und der Slogan. Noch…

Die Facebook-App: Der Stern verglüht

Kommen wir zur App. Wer sich zu Facebook anmelden will, muss natürlich hierbei seine Daten eingeben, einfach nur E-Mail und Passwort. Da fängt es schon an, erstmalig zu nerven. Die Designer haben sich nicht gefragt, warum herkömmliche und billigste Smartphones das ²@“-Zeichen nicht verstecken, sondern bei der Eingabe der Mail-Adresse anzeigen. Daimler nicht so:
wo ist das @
Umschalten
hier ist das @

Man muss via Scrollrädchen in der Mittelkonsole umständlich die Tastaturlayouts umschalten, um an das Sonderzeichen @ zu kommen. Ich war schon vorher bei der Initialisierung des Internetzugangs leicht angefressen. Da man ebenso umständlich via Scrollrädchen die Zeichen anscrollen muss, um Vorname, Name, Adresse und Mailadresse einzugeben. Wozu man das tun muss? Keine Ahnung, aber man muss es. Und mich dann anschließend bei der Facebook-App gefragt, wozu man mir die bereits einmal eingegebene Mailadresse nicht per default anbietet?

Nachdem das endlich erledigt war, hatte ich mein Facebook im Auto, statt wie bisher nur auf dem Smartphone. Man kann denken, was man will. Aber es ist zunächst eine Premiere so gesehen. Und technisch ist die Umsetzung natürlich interessant. Doch nichtsdestotrotz, der nächste Ärger drohte und kam auch prompt!

So kann man u.a. die Funktion „Meinen Status ändern“ nutzen. Was enthält diese? Ihr könnt beim Halten oder auch Fahren mobile Kontextinformationen auf Eurer Timeline posten:
– bin gerade mit dem Auto unterwegs
– bin gerade in [Ort XYZ] unterwegs
– bin gerade auf dem Weg [von Ort XYZ] unterwegs
– stecke gerade in der Nähe [von Ort XYZ]
– Werde bald in [Zeit] ankommen
– Bin gerade auf dem Weg nach [Ort XYZ]

Anbei die Ergebnisse meiner ersten Tests auf Facebook:
Benz to FB
Benz to FB
Benz to FB

Je nachdem, ob Ihr im Navigationssystem eine Route eingegeben habt oder nicht, können fahrbezogene Informationen angegeben werden. Die Idee, das Navi mit dem Facebook-System zu koppeln, ist in der Tat naheliegend aber auch wegweisend. Oben erkennt man aber schon einen weiteren Problempunkt, der einfach unschön ist: Sobald der Ortsname zu lang wird – hier Bad Homburg vor der Höhe – läuft die Schrift aus dem Screen heraus. Lapsus!

Man kann auch eine eigene Status-Änderung eingeben. Das ist allerdings angesichts der mühsamen Bedienbarkeit beim Eintippen bzw. Anscrollen eine Qual. Wozu Daimler diese Option angeboten hat, verstehe ich nicht. Und hätte niemals die Qualitätskontrolle verlassen dürfen. Anbei mein Video in voller Länge, damit Ihr versteht, was ich meine, um folgenden Status einzugeben:

Der nächste Hammer droht, wenn man sich die Freunde anzeigen will (ohne jetzt näher darauf einzugehen, wozu und was man damit machen kann). Ich habe +2.000 Kontakte auf Facebook. Was sich auch immer die Entwickler gedacht haben, sie haben nicht mitgedacht. Erstens wird die Liste unsortiert angezeigt (und man muss erst in ein Menue, damit sie sortiert werden…), zweitens gibt es keine Möglichkeit, nach einem Kontakt zu suchen. Wenigstens haben sie daran gedacht, nicht alle 2.000 anzuzeigen, sondern immer nur häppchenweise (ich denke, es sind ca. 100 pro Anzeige). Doch das nutzt weder etwas noch macht es schöner. Mein Erschrecken ob dieser Lösung habe ich im Video festgehalten, GUI, Feedback-Verhalten, Aussehen … alles unter aller Kanone!

Und ob das nicht schon genug sei, dass der Stern im App-Himmel verglüht und das Markenversprechen an der Stelle unterläuft, habe ich nachher mehrere Mails bekommen. Die habe ich als Reminder erhalten, dass ich die Nutzungsbedingungen akzeptiert habe. Alle drei Mails (.txt-Anhang) sind durch den Fleischwolf geraten und in GMail wie Kraut und Rüben angekommen. Was soll ein Mercedes-Kunde davon halten?
Mail
Auch hier wurde in der Qualitätskontrolle nicht exakt gearbeitet. Es darf einfach nicht passieren. Und schon gar nicht dreimal hintereinander.

Fazit

Es ist großartig, dass Autohersteller wie Daimler die Möglichkeiten ins Auge fassen, digital angehauchte Kunden zu beglücken. Doch von einem Konzern mit diesem Markenanspruch, von der Klasse, erwarte ich Top-Leistungen in allen Belangen. Ob es nun ein klitzekleines @ ist, das man kompliziert ansteuern muss, ob es die mühsame Eingabe bei einer unsinnigen Option ist, eine unsortierte Freundesliste, eine zerhackte Mail, das geht einfach nicht!

Mich kann man pingelig schimpfen, aber ich bin es bei Unternehmen, die Rang und Namen haben. Die sich die besten Mitarbeiter leisten können. Genau da erwarte ich in allen Belangen am Produkt beste Ergebnisse und eine spitzen Qualitätssicherung. Bei jeder noch so kleinen Option. Dann lieber weglassen und wenn es sitzt, raus damit. Beim Testen wurde ich richtiggehend sauer angesichts der Summer der Fehler. Üblicherweise bleibe ich cool, aber wenn meine Erwartungen weit unter Toleranzgrenze untererfüllt werden, dann glüht die Herzkammer auf. Ich mag mir nicht ausmalen, was weniger versierte Kunden denken und fühlen.

Selbstverständlich werde ich über das Faszinosum Comand Online Weiteres berichten. Denn es ist wie gesagt für mich – der sich an ganz andere Autos weitab von heutiger Technik erinnert – unglaublich spannend, was sich hier tut. Soweit mein Ersteindruck von einem kleinen Teilausschnitt.

Das Beste oder Nix. Bitte Besser als Nix beim nächsten Mal!

Wer sich für einen generellen Überblick interessiert, was die Autofirmen und IT-Anbieter im Bereich Vernetzung des Autos treiben und warum, dem empfehle ich diesen Artikel: Innovationen fürs vernetzte Auto demnächst made in Karlsruhe.

Blogger seit 2003. Technikaffin, neugierig, am technischen Wandel der Zeit interessiert, Anhänger und Skeptiker des Fortschrittsglaubens. Track Record meiner ex-Blogs: MEX-Blog 2003-2005 (Wirtschaftsblog), WoW-Blog 2005-2009 (Gamingblog), 321Blog 2007 (eBay), BasicThinking 2003-2009 (Tech&Startups). Aktive Blogs: RobertBasic.de seit 2009 und Buzzriders.com seit 2011.

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